Jennifer Obanla

Alumna

Jennifer Obanla

Job 

Projektleitung 

Firma / Organisation 

step into action

(Luzern, Schweiz)

Abschlussjahr

2015

Fakultät

Gesellschaft und Ökonomie

Studiengang

Nachhaltiger Tourismus (B.A.)

Zeitpunkt des Interviews 

Februar 2023

 

Warum haben Sie sich für den Studiengang Nachhaltiger Tourismus an der Hochschule Rhein-Waal entschieden?

Eigentlich gab es kein richtiges „warum“. Man kommt von der Schule und muss sich entscheiden, was man zukünftig machen möchte und es gibt eine riesige Auswahl an Studiengängen. Ich wusste nur ganz klar, dass ich gerne reise, beziehungsweise Interesse an anderen Kulturen und Sprachen habe. Ich war z.B. nach dem Abitur für längere Zeit in Australien und habe dann entschieden, dass Tourismus ein Studiengang ist, den ich mir vorstellen kann, um später damit zu arbeiten. Tourismus wird allerdings wirklich wenig an öffentlichen Hochschulen angeboten und meistens nur als Teil von BWL oder an teuren Privathochschulen, was für mich nicht in Frage kam. Und dann habe ich das Angebot der Hochschule Rhein-Waal gesehen und fand Alternativer Tourismus (ehemaliger Name des Studiengangs) klang gut. Ich wusste nicht genau was es ist, aber ich habe mich darauf beworben, den Platz bekommen und mich dann darauf eingelassen. Damals stand eben der Tourismus im Vordergrund und auf dem Weg habe ich gemerkt, dass die Nachhaltigkeit eigentlich mehr und mehr für mich in den Vordergrund gerät und dass ich im Endeffekt sehr froh war, dass es kein klassisches Tourismusmanagement war, sondern eben der Aspekt der Nachhaltigkeit noch mit rein kam.

Wie ging es für Sie nach dem Abschluss 2015 beruflich weiter?

Zuerst muss ich noch sagen, dass ich in meinem Auslandssemester ein Auslandspraktikum in Ecuador an einer Sprachschule gemacht habe, die viel mit Freiwilligen gearbeitet hat und mit jungen Menschen, die das erste Mal im Ausland sind. Dort habe ich gemerkt, dass ich über dieses Thema meine Bachelorarbeit schreiben möchte, also über diesen Freiwilligen- Tourismus, den ich als nicht sehr positiv wahrgenommen habe. Dabei habe ich aber auch meine Leidenschaft entdeckt, mit jungen Leuten zu arbeiten und junge Leute dabei zu begleiten, diese Auslandserfahrung zu machen und diesen recht lebensverändernden Schritt zu wagen.

Deswegen habe ich mich nach dem Studium bei verschiedenen klassischen Reiseveranstaltern beworben, unter anderem auch bei Education First (EF), die mit die größten weltweit im Bereich Sprach- und Jugendreisen sind. Ich habe mir keine großen Hoffnungen gemacht, aber wurde dann zum Assessment Centre eingeladen und habe eine Trainee-Stelle für ein halbes Jahr bekommen und dachte mir, cool, packe ich meine Koffer wieder und gehe nochmal ins Ausland, da die Stelle in Luzern war. Und aus dem halben Jahr sind es jetzt in der Schweiz sieben Jahre und in dem Beruf vier Jahre geworden.

Das Traineeship war im Bereich Operations und ich war für den Bereich Northern / Central Europe, d.h. vor allem für Deutschland und Österreich für das operative Geschäft zuständig. Es ging darum, Klassenreisen für Jugendliche zu organisieren, die einen starken Bildungsfokus haben. Meine Aufgabe im Operations Team war z.B. zu schauen, okay, da ist eine Klasse aus den USA, die Interesse am zweiten Weltkrieg hat - wo macht es dann Sinn, diese Tour zu platzieren, in Hinblick auf das Hotel, den Transport, verschiedene Tourguides, Aktivitäten, Museen und so weiter und so fort. Ich war also dafür verantwortlich, diese Reisen zu realisieren und das in einem Riesenvolumen. Das habe ich ein Jahr gemacht und das hat mir auch sehr Spaß gemacht.

Als das Traineeprogramm vorbei war, gab es für die Länder und Sprachen keine feste Position, aber ich habe mich trotzdem entschieden erstmal in der Firma zu bleiben. Es war ein Job im Bereich Business Travel frei, da habe ich in erster Linie mit Fluggesellschaften gearbeitet. Das war erstmal in Ordnung, aber nicht das, wofür ich mich wirklich interessiert habe. Und im Endeffekt musste ich mir eingestehen, dass mich das nicht erfüllt und ich das vor dem Nachhaltigkeitsaspekt auch nicht vertreten kann. Also habe ich mich letztendlich dafür entschieden, zu gehen.

Und dann habe ich gekündigt ohne etwas neues zu haben, weil ich auch ein bisschen Zeit für mich brauchte, um nochmal auf Reisen zu gehen, aber auch um genauer zu schauen, wo es jetzt für mich hingehen soll. Ich habe mich bereits während ich noch bei EF gearbeitet habe für einen Verein, der „step into action“ heißt, als Freiwillige engagiert. Und als ich von meinen Reisen zurückkam, wurde im Verein jemand gesucht, der den Verein in der Zentralschweiz aufbauen möchte, diesen Job habe ich dann angenommen. Ich stand hinter der Vision, hinter dem was der Verein macht und sah es als eine super Herausforderung an, einen neuen Standort des Vereins zu gründen und von Null an aufzubauen. Step into action hat sich spezialisiert auf Bildung für nachhaltige Entwicklung, d.h. die Vision ist es, dass sich junge Menschen vermehrt für nachhaltige Entwicklung einsetzen, aber vor allem sich auch einsetzen können und dass sie eben auch von älteren Generationen ernst genommen und in ihrem Tun unterstützt werden. Wir gehen vor allem in den Kompetenzbereich und schauen, welche Kompetenzen braucht die Gesellschaft, nicht nur die Jugendlichen, um mit Themen der nachhaltigen Entwicklung und auch den Herausforderungen umgehen zu können und Teil der Lösung zu werden.

Wie kann man sich Ihren Arbeitsalltag vorstellen?

Den gibt es nicht. Es gibt keinen Alltag und das ist auch das, was ich sehr schätze an dem Job. Meine Position ist sehr projektbasiert. Ich habe ein Projekt, das jedes Jahr gleich abläuft, in dem ich alles mache: vom Fundraising bis hin zum Projektabschluss, über Coaching und die Begleitung von Freiwilligen, Rekrutierung von Schulklassen, Partnerschaftsgespräche mit Schulleitungen bis hin zu Kommunikation und Buchhaltung.

Dieses Projekt ist ein dreiteiliges Programm für Schüler*innen aus der Oberstufe, in dem es darum geht, einen jährlichen Jugendgipfel zu organisieren, der das Thema nachhaltige Entwicklung in den Fokus stellt. Ziel ist es, dass sie sich untereinander austauschen, sich selber reflektieren und sich überlegen, was für Themen interessieren mich oder welche Themen finde ich wirklich wichtig in unserer Gesellschaft und wie kann ich mich dafür engagieren. Also sie durchlaufen das dreiteilige Programm, um zunächst zu verstehen, was nachhaltige Entwicklung ist und welche Themen dazugehören. Dann nehmen sie am Jugendgipfel teil, wo sie sich viel mit sich selbst auseinandersetzen müssen und schauen dann okay, wie kann ich jetzt dafür aktiv werden. Und das ist das Hauptprojekt, das mache ich nicht alleine, sondern arbeite mit Freiwilligen, die dann nochmal eine Ecke jünger sind als ich, weil es uns darum geht, dass es ein Programm von jungen Menschen für junge Menschen ist. D.h. ich betreue diese Freiwilligen, damit sie das Projekt selber umsetzen können.

Und dann gibt es immer wieder Projekte, die ein, zwei Jahre laufen, wo ich dann auch eine Rolle einnehme. Oft sind das der Kommunikationsbereich, die Projektkoordination an sich und die Betreuung von Partnerschaften.  

Was gefällt Ihnen besonders an Ihrem Job?

Wie gesagt, mir gefällt, dass es sehr abwechslungsreich ist, aber das Beste ist die Art und Weise, wie wir arbeiten. Der Verein ist soziokratisch aufgestellt, d.h. wir haben keine Hierarchie, wir arbeiten sehr selbstbestimmt, selbstorganisiert, jede*r hat den gleichen Anteil an Verantwortung und an Mitbestimmung und wir haben eine sehr gelebte Feedbackkultur. Unsere Arbeit ist also sehr menschenzentriert und das finde ich gerade im Bereich nachhaltige Entwicklung extrem wichtig, dass wir das auch nach innen leben. Ich merke, wie ich viel mehr hinter dem Verein und den Projekten stehe, weil ich einfach weiß, ich habe das mit kreiert und ich habe Verantwortung und Mitspracherecht. Und das ist das, was mich sehr motiviert und auch erfüllt in meinem Job.

Welche Kompetenzen haben Sie durch Ihr Studium erworben, die Sie heute gut in Ihrem Beruf einsetzen können?

Zum einen hilft mir der Wirtschaftsbackground auch in dem Non-Profit Bereich, da ich mir überlegen muss, wie ich Projekte nachhaltig aufsetze, die Buchhaltung mache oder welches Budget ich einsetzen kann und das sind alles so Sachen, bei denen ich denke, dass der Wirtschaftsanteil im Studium ein Riesenvorteil ist. Außerdem haben wir viele Hausarbeiten geschrieben, und wenn ich jetzt Fundraising betreiben oder Projektberichte schreiben muss, merke ich schon, wie ich im Studium immer wieder gelernt habe, sehr präzise auf den Punkt zu kommunizieren und sinnvoll zu strukturieren.  

Und ansonsten ein bisschen mehr auf der Metaebene: wenn wir mit Jugendlichen über nachhaltige Entwicklung sprechen, diskutieren wir oft Fragen wie: Was ist jetzt nachhaltig? Was dürfen wir noch machen und was dürfen wir nicht machen? Da kommt eben oft das Thema Tourismus auf und die Diskussion, ob man z.B. noch fliegen darf. Und was wir bei uns versuchen, viel zu üben, ist die Ambiguitätstoleranz oder dieses Aushalten von Widersprüchen, bei dem der Tourismus das beste Beispiel ist. Man kann beispielsweise schlecht per se sagen niemand fliegt mehr in den Urlaub und niemand sollte mehr Backpacking machen oder so, weil Tourismus einfach auch unglaublich viele positive Seiten hat. Und da hilft mir das Fachliche natürlich extrem, um zu schauen, was es denn auch für positive Seiten vom Tourismus gibt und wie man es trotzdem besser machen könnte, ohne jetzt konkret zu sagen, wir verzichten per se auf Flugreisen.

Welchen Ratschlag würden Sie unseren Studierenden mitgeben?

Ich würde zurückblickend nichts anders machen. Auch wenn da vielleicht ein Umweg in meiner Karriere war, glaube ich, dass alles richtig so gewesen ist. Ich würde raten, dass man die Zeit im Studium auf jeden Fall nutzt, um schon so viel Erfahrung wie möglich zu sammeln. Das bedeutet beispielsweise auch in den Semesterferien ein Praktikum zu machen oder sich ehrenamtlich zu engagieren. Das finde ich super wichtig, weil man dort extrem viel lernt und verschiedene Bereiche und Arbeitsmöglichkeiten kennenlernen kann. Ich habe im Endeffekt so meinen Job gefunden. Auch wird einem vielleicht schon nochmal bewusst, was für Werte man vertreten möchte, was einem beim Arbeitgeber wichtig ist und wann ein Job erfüllend ist. Das sind alles so Sachen, die kommen vielleicht auch erst dann, wenn man Dinge macht, die man danach nicht mehr machen möchte. Deswegen würde ich grundsätzlich einfach sagen, man sollte die Zeit nutzen, um Sachen auszuprobieren und um zu schauen, was einem liegt.

Und vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass mein Praktikum und meine Bachelorarbeit sehr wegweisend für mich waren. Man darf das nicht unterschätzen, wie viele Türen einem das öffnen kann. Mein Thema war „Voluntourism: die Notwendigkeit und Bedeutung von Qualitätsstandards“, um kritisch zu beleuchten, was Volunteer Tourism auch Negatives anrichten kann und wie man damit umgehen oder das vermeiden kann. Und ich habe dafür Interviews mit unterschiedlichen Organisationen geführt und bin über die Interviews zu coolen Kontakten und einem Netzwerk gekommen mit denen ich auch im Nachhinein noch Kontakt hatte. Praktika und Abschlussarbeiten können also auch ein gutes Sprungbrett sein.

Was ist Ihre schönste Erinnerung, wenn Sie an Ihre Studienzeit an der Hochschule Rhein-Waal zurückdenken?

Ich war Teil des ersten Jahrgangs von Alternativer Tourismus (jetzt Nachhaltiger Tourismus) und wir sind damals in Emmerich in der Kaserne gestartet. Als wir dort angekommen sind, dachte ich oh mein Gott, denn man stellt sich sein Studienleben ja auf so eine gewisse Art und Weise vor und definitiv nicht so wie eine Kaserne in Emmerich. Aber das war im Endeffekt echt schön, weil die Leute, die ich so als erstes kennengelernt habe, auch meine Wegbegleiter und teilweise meine engsten Freunde geworden sind in der Zeit. Das ist die schönste Erinnerung, dass es sehr familiär war, man Leute sehr schnell kennengelernt hat und da es damals in Kleve noch nicht viel gab, hat man sich gut arrangieren müssen, was aber zurückblickend super schön war, weil es eben wie so eine große Familie war, dass man zusammengehalten hat, coole Lerngruppen und coole Hauspartys hatte. Aber auch mitzuerleben, wie alles so langsam wächst und kommt. Wir waren auch Teil vom AStA, der neu gegründet wurde, also man konnte sich viel einbringen. Es war natürlich auch teilweise schwierig, weil man überall das Versuchskaninchen war und wenig direkt perfekt funktioniert hat, aber man konnte doch überall ein bisschen mitreden und mitgestalten und das war sehr wertvoll.