Die HSRW in Lyon: Wo die Mülltonnen singen und Ideen leuchten
Grüne Glasflaschen funkeln im Herbstlicht, die Saône schiebt leise an den Quai-Kaimauern vorbei. Wer hier in diesen Tagen eine leere Flasche in eine bunte Tonne wirft, hört plötzlich einen Ton. Kein schriller Alarm, sondern eine spielerische Note, ein kurzes Aufleuchten. Ein kleiner Stups, ein Nudge – und vielleicht der Anfang einer neuen Gewohnheit.
So sieht eine der preisgekrönten Ideen aus, die Mitte Oktober im Rahmen der Green Nudge Week 2025 an der Université Catholique de Lyon (UCLy) entstanden sind. 21 Studierende aus sechs Ländern, darunter eine Delegation der Fakultät Life Sciences der Hochschule Rhein-Waal, erkundeten vom 13. bis 17. Oktober die Stadt als Labor für nachhaltiges Verhalten – begleitet von Lehrenden der UCLy/ESQESE und in Kooperation mit der Tourismusmarke ONLYLYON. Der Auftrag: konkrete, leicht umsetzbare „Green Nudges“ für einen verantwortungsvolleren Stadttourismus zu entwerfen.
Die Woche folgte einem dichten Rhythmus: Einführungen in die Verhaltensökonomie und das Konzept des Nudging, ein urbanes „Jeu de piste“ (Schnitzeljagd), Beobachtungen vor Ort, Interviews mit Nutzerinnen und Nutzern, grafische Feinarbeit und ein Abschluss-Pitch, bei dem sechs internationale Teams ihre Prototypen vorstellten. Themen, die in Lyon drängend sind, standen im Mittelpunkt: sichere Wege für abgelenkte Fußgängerinnen und Fußgänger im Smartphone-Zeitalter, sauberes Glasrecycling im Straßenraum, das Chaos rund um E‑Scooter-Stellflächen, Schutz der lokalen Fauna und die Frage, wie man die Lust auf lokale Produkte mit kurzen Lieferketten weckt.
„Die internationale Zusammenarbeit war eine neue Erfahrung: so viele unterschiedliche Menschen, Kulturen und Perspektiven führten zu spannenden Diskussionen und jede Menge neuer Blickwinkel“, berichten die HSRW-Studentinnen Gesa Günther und Olga Cazacou. Und sie fügen den vielleicht wichtigsten Satz einer solchen Woche hinzu: „Viel gelernt, viel gelacht und Lyon ein Stück weit ins Herz geschlossen.“
Lernen in der Stadt, nicht nur über die Stadt
Alle sechs Arbeitsgruppen präsentierten am Ende Vorschläge, die nicht nur gut aussahen, sondern im Alltag funktionieren könnten. Drei davon wurden prämiert. Unter den ausgezeichneten Konzepten: das Projekt der Bioengineering-Studentin Suzan Al‑Jaroudi, deren Team die Flaschen an der Saône im Blick hatte:
„Während der Projektwoche an der UCly-Universität in Lyon entwickelte unser Team eine Umweltinitiative, um das Problem der Flaschenabfälle entlang der Saône anzugehen. Basierend auf unseren Feldbeobachtungen entwarfen wir einen interaktiven Anreiz: bunte Recyclingbehälter, die aufleuchten und Musiknoten spielen, wenn eine Flasche eingeworfen wird. Die Idee dahinter ist, das Recycling für Einheimische und Touristen sichtbarer, spielerischer und ansprechender zu gestalten und gleichzeitig ihre Verbundenheit mit dem Fluss und der Stadt zu stärken. Das Projekt war sowohl in akademischer als auch in kultureller Hinsicht sehr bereichernd, und wir sind stolz darauf, dass es mit dem ersten Platz ausgezeichnet wurde. Die Erfahrung war unglaublich bereichernd und verband Kreativität, Teamarbeit und Nachhaltigkeit.“
Auch die beiden weiteren Arbeitsgruppen, an denen HSRW-Studierende beteiligt waren, erhielten Auszeichnungen. Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schumachers, Studiengangsleiter für Qualität, Umwelt, Sicherheit und Hygiene, war an den letzten beiden Tagen vor Ort: Was nach einem Wettbewerb klingt, wirkte vor allem wie ein Ideenmarkt – viele kleine, kluge Interventionen statt der einen großen Lösung.
Nudging ist die Kunst, Entscheidungen ohne Zwang in eine nachhaltigere Richtung zu lenken – durch Sichtbarkeit, Bequemlichkeit, ein kleines Spiel. In einer Stadt wie Lyon, die vom Fluss, vom Genuss und vom steten Strom an Besuchenden lebt, sind starre Verbote oft stumpfe Werkzeuge. Sanfte Stupser funktionieren dort, wo sie am Leben andocken: am Spaziergang am Wasser, am Impuls, das Smartphone zu zücken, an der Frage, wo der Scooter abgestellt wird.
Die Green Nudge Week zeigte, wie solche Impulse entstehen: im Gehen, Beobachten, Fragen, im gemeinsamen Bauen und Testen. Die Stadt antwortet, wenn man ihr zuhört – und manchmal antwortet sie mit Musik aus einer Mülltonne. Für die Student*innen der HSRW war der Austausch in Lyon ein Proberaum für internationale Zusammenarbeit, angewandte Nachhaltigkeit und ein Versprechen auf Fortsetzung: Ein Gegenbesuch der französischen Studierenden an der HSRW ist für Ende März 2026 fest eingeplant. Dann werden die Rollen getauscht, und der Schauplatz wechselt. Der Ton aber dürfte derselbe bleiben: freundlich, einladend – ein Stups in die richtige Richtung.