Interview mit Diplom-Psychologin Pia Weigelt-Lindemann

Wir alle im Homeoffice…und wie es gelingen kann

Für viele von uns ist es inzwischen Alltag und gelingt – nach einer mehr oder weniger holprigen Eingewöhnungsphase – inzwischen richtig gut. Für manche mag es immer noch herausfordernd und gewöhnungsbedürftig erscheinen: das Arbeiten von zu Hause aus in Corona-Zeiten - HomeOffice. 

 

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Wie kann das Arbeiten zu Hause im Home-Office gelingen? 

Glücklich schätzen können sich diejenigen, die ein eigenes Arbeitszimmer mit guten technischen Voraussetzungen für ungestörte Telefonate, Videokonferenzen oder Aufzeichnungen von Lehre bzw. „Studieren vor dem Bildschirm“ in Web-Seminaren haben. Wenn zudem für wenig Ablenkungspotential gesorgt ist - bspw. die Kinder umsorgt sind, das private Smartphone auf lautlos gestellt wurde, alle notwendigen Arbeitsmaterialien und auch eine Tasse Tee oder Kaffee bereit stehen - kann Arbeit im Home-Office bisweilen sogar effektiver gelingen als üblicherweise im Büro oder im Seminarraum der Hochschule. Wenn dann noch das “flow“-Gefühl einsetzt, man in der Arbeit aufgeht und diese wie von selbst vor sich geht, läuft man Gefahr, deutlich mehr zu arbeiten als vorgesehen (… und der oder die Vorgesetzte oder Professor*in soll ja auch nicht denken, dass man zu Hause weniger Einsatz zeigt als sonst). 

Für das Gelingen von Home-Office-Zeiten ist daher eine vorgeplante Tagesstruktur von großer Bedeutung. Hierzu gehört nicht nur, dass man seinen Tag genau durchstrukturiert, Aufgaben und Ziele für den Tag formuliert und aufschreibt, Pausenzeiten und Mahlzeiten sowie das Ende des Arbeitstages und die anschließende Freizeitbeschäftigung einplant. Hilfreich ist auch, dass man sich, wie sonst vor einem Tag an der Hochschule, fürs Arbeiten anzieht (vielleicht etwas legerer), sich frisch macht und seinem üblichen Morgenritual (duschen, frühstücken, Morgengymnastik, dies und das...) „frönt“. Denn Rituale geben uns Halt und Orientierung in Situationen mit wenig oder keiner von außen vorgegebenen Struktur. Am Beginn eines jeden Tages sollten Absprachen mit Mitbewohnern, Familienmitgliedern, auch Kindern, über den bevorstehenden Tag und die Aufgaben jedes Einzelnen stehen. Sehr wichtig ist auch, sich selbst und andere zu loben und zu belohnen, z.B. wenn eine Aufgabe auf der „To-Do-Liste“ erfolgreich erledigt wurde oder wenn die Kinder sich eine ganze Zeit lang prima allein beschäftigt haben. Lob tut allen gut! 

 

Was tun, wenn das Home-Office zur Belastung wird und die Arbeit nicht von der Hand gehen will? 

Auch wenn es abgedroschen klingt, in diesem Fall passt es: „Wir sind alle nur Menschen!“. Nicht jeden Tag sind wir top ausgeschlafen, top motiviert, gesundheitlich top fit und haben Nerven wie Drahtseile. In solchen Momenten gilt es, sich auf positive Dinge zu fokussieren und die guten Dinge zu sammeln, am besten sogar auf einen Notizzettel aufzuschreiben und sich diesen gut sichtbar in die Nähe des Home-Office-Arbeitsplatzes zu pinnen. Was ist gut für mich am Arbeiten in den eigenen vier Wänden und den neuen Arbeitsbedingungen? Welche Vorteile habe ich davon oder meine Familie, mein*e Partner*in, mein*e WG-Mitbewohner*in? Welche dieser Vorteile möchte ich auch in die „nach Corona“-Zeit hinüberretten? Oft ist es hilfreich sich klar zu machen, dass die aktuell weitreichenden Beschränkungen unseres Alltags zeitlich begrenzt sind und sich das Leben in absehbarer Zeit wieder mehr und mehr öffnen wird. Es hilft sich vorzustellen, wie wir zu (fast) normalen, gewohnten und lieb gewonnenen Gewohnheiten zurückkehren und wie wir uns dabei fühlen werden. Wie wäre es, die durch die Home-Office-Arbeitsbedingungen frei gewordene, gewonnene Zeit – die wir vielleicht dadurch gewonnen haben, dass wir uns nicht jeden Werktag im Stau auf dem Weg zur Arbeit befinden – für uns selbst zu nutzen? Zum Innehalten, Nachdenken, Meditieren, Zukunft planen? 

 

Was können wir für unsere psychische Gesundheit tun? 

Wir alle kennen das Zitat mit dem gesunden Geist im gesunden Körper. Nicht nur in CoronaZeiten, wo wir uns hauptsächlich zu Hause aufhalten, um unseren Beitrag zu “flatten the curve“ zu erbringen, sind gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung äußerst wichtig. Wir sollten unseren Körper und unsere psychische Gesundheit wertschätzen und etwas dafür tun. Ob das nun die tägliche Joggingrunde draußen oder das neu entdeckte Hobby „Yoga mit YouTubeTutorials“ ist – wenn es gut tut und ein Glücksgefühl vermittelt, ist es richtig. Viele vermissen in diesen Zeiten auch schmerzlich Kulturveranstaltungen. Bis wir wieder Veranstaltungen besuchen können, streamen Kulturschaffende mit vielen kreativen Ideen z.B. Konzerte online, veröffentlichen Podcasts zu interessanten Themen oder zeigen „unsere Lieblingsfilme“ im Programm. Erfreulicherweise stellen einige ihr Programm verstärkt auch auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen ein, die in Corona-Zeiten meist besonders ihre sozialen (Spiel)Kontakte vermissen. Diese Angebote sollten wir nutzen! 

 Erfreulich, dass es eben nicht immer nur um Corona geht (auch wenn es einem manchmal so vorkommt). Überhaupt – es ist besser, die Informationsflut zu Corona zum eigenen Wohl zu dosieren und sich ausschließlich über zuverlässige Quellen zu informieren, um nicht unnötig Unsicherheit und unbegründeten Ängsten Raum zu geben. Sollten Ängste, Einsamkeitsgefühle, Traurigkeit, Nervosität, Gereiztheit, Schlaflosigkeit oder Besorgnis jedoch immer häufiger in unseren Gedanken oder auch Handlungen eine Rolle spielen, ist es gut und ratsam, sich Unterstützung zu nehmen. In erster Linie sind Kommunikation mit Freunden*innen, Familienangehörigen, Kollegen*innen oder Kommilitonen*innen und soziale Kontakte über soziale Medien, Videotelefonie, Telefonanrufe oder auch “face to face“ - natürlich mit einem Abstand von 1,5 bis 2 m - für uns alle in Zeiten von “physical distancing“ ausgesprochen wichtig und erfüllen ein wichtiges menschliches Grundbedürfnis. Warum sich nicht zum gemeinsamen Frühstück über Videotelefonie verabreden bevor die gemeinsame Lerngruppe, zur vorher fest verabredeten Zeit, beginnt? Wie wäre es mit einer Partie Schach oder Scrabble per Telefon oder Videotelefonie? Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche, neue Ideen! 

 Und es lohnt sich darüber nachzudenken, wer sich über einen Anruf von mir oder eine Nachricht über social media freuen würde, wem ich damit etwas Gutes tun könnte. Denn anderen helfen macht auch selbst glücklich! 

 

Was, wenn bisher genannte Möglichkeiten jedoch nicht bestehen oder emotionale und/oder soziale Schwierigkeiten allein nicht (mehr) bewältigt werden und unüberwindbar erscheinen? 

In diesen Fällen, gibt es professionelle Hilfsangebote, die unkompliziert, innerhalb kurzer Zeit und meist kostenlos zu erhalten sind. Zum Beispiel: Corona-Hotline des Bund deutscher Psychologen 

Tel.: 0800-7772244; Telefonseelsorge Tel.: 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222; Info-Telefon Depression Tel.: 0800-3344533. Alle bieten Beratung in deutscher und meist auch englischer Sprache an (je nach Berater*in). 

An der Hochschule können sich Studierende an die „Psychologische Beratung für Studierende der Hochschule Rhein-Waal“, Dipl.-Psych. Pia Weigelt-Lindemann, wenden. Diese ist ab Mai 2020 wieder erreichbar. Alle Informationen hierzu finden Sie hier.