„Wir sind Krisen nicht bedingungslos ausgeliefert“: Nachbericht zu ‚Studium Generale aktuell‘ am 26. April 2022

Vortrag zum psychologischen Umgang mit Krisenereignissen

Von links nach rechts: Prof. Dr. Freda-Marie Hartung, Prof. Dr. Georg Hauck und Prof. Dr. Nicki Marquardt

Krisen gab es schon immer – solche dauerhafter Natur oder dass sie plötzlich über uns hereinbrechen. Aktuell haben viele Menschen das ohnmächtige Gefühl, dass Corona-Pandemie, Klimakrise und Ukraine-Krieg sie mehr denn je beherrschen. Dass Menschen auf sie hereinbrechende Krisen aber nicht bedingungslos ausgeliefert sein müssen, zeigte ein Vortragsabend am 26. April 2022 an der Fakultät Kommunikation und Umwelt in Kamp-Lintfort. Im Rahmen eines „Studium Generale aktuell“ präsentierten die Professor*innen Nicki Marquardt, Georg Hauck und Freda-Marie Hartung Mechanismen, wie man diesen begegnen kann. Denn dass Krisen uns treffen – darauf haben wir keinen Einfluss – wohl aber auf unseren Umgang damit und wie stark sie uns tatsächlich belasten.

Bei Krisen handelt es sich um unvorhersehbare Ereignisse, welche mit großen negativen Folgen für die betroffenen Menschen einhergehen. Das Erleben von Krisensituationen – seien sie individueller Natur (wie eine schwere Erkrankung, Jobverlust oder der Tod eines geliebten Menschen) oder von globalem Ausmaß wie der aktuelle Ukraine-Krieg (inkl. der nachgelagerten Folgen wie Lieferengpässen oder Preissteigerungen) mit  – ist stets mit intensivem Stress verbunden, welcher sich nicht nur in Ängsten und Sorgen, sondern auch Panik äußern kann.

Auf die neuropsychologische Sicht ging zu Beginn des Vortragabends Dr. Nicki Marquardt ein, Professor mit den Schwerpunkten Kognitions-, Arbeits- und Organisationspsychologie. Er schilderte zwei Arten von Stressreaktionen: eine akute, kurzfristige Reaktion, die in Sekundenbruchteilen den Körper mobilisiert. Der Sympathikus schüttet Adrenalin aus und sendet elektrische Impulse (wie z.B. Beschleunigung des Herzschlags, erhöhter Blutdruck), was uns auf eine kritische Situation vorbereitet. Die kurzfristige Reaktion ist laut Marquardt also eine gute, weil unser Körper sofort auf Gefahren reagiert. Problematisch wird Stress, wenn er zu einem dauerhaften Phänomen wird, weil dadurch Stresshormone ausgeschüttet werden, die unser Herz-Kreislauf-System angreifen oder Nervenzellen zerstören. Denn dauerhaft ist unser Körper dafür nicht gemacht.

Dr. Georg Hauck, Professor für Kommunikationspsychologie und organisationales Lernen,  ging anschließend auf den Zusammenhang des Umgangs mit Krisen und der persönlichen Lernbiographie ein: Jeder Mensch lerne von klein auf, mit Krisen umzugehen. Diese Lernhistorie gebe uns im Laufe der Zeit ein Repertoire, auf das wir unbewusst zurückgreifen könnten. Sind Krisen von neuartiger Natur ­– z.B. die Coronapandemie oder für viele Menschen auch der Ukraine-Krieg –, greifen wir auf das sogenannte Modell-Lernen zurück. Wir schauen uns an, wie unsere Familie, unser Umfeld oder auch unsere Idole bzw. in den Medien präsente Expert*innen mit einer Krise umgehen und diese bewerten. Das täten wir in der Regel nicht bewusst, sondern es passiere implizit. Anders als beim bewussten Lernen – ich setzte mich z.B. hin und lerne für eine Klausur – erfordert das weniger Energie: ein quasi kognitiver Automatismus, der dazu beiträgt, dass wir lernen, mit (neuartigen) Krisen umzugehen.

Über die individuellen Voraussetzungen einer Person, Krisen zu bewältigen, sprach Dr. Freda-Marie Hartung, Professorin für Psychologische Diagnostik, Differenzielle und Persönlichkeitspsychologie. Dabei legte sie den Fokus auf den Begriff der Resilienz, also die Fähigkeiten eines Menschen mit widrigen Bedingungen im Leben umgehen zu können. Diese Widerstandsfähigkeit speise sich aus verschiedensten, zentralen Persönlichkeitsmerkmalen wie Problemlösungsfähigkeiten, emotionale Stabilität und anderen Fähigkeiten. Eine zentrale Eigenschaft in Zusammenhang mit der Resilienz sei die des Optimismus, also der Besitz positiver Erwartungen auf zukünftige Entwicklungen. Dieser sei ein entscheidender Schutzfaktor, der sich sowohl auf das mentale als auch das körperliche Wohlbefinden positiv auswirken könne. Zum Beispiel könne es dazu führen, dass optimistische Menschen in Krisensituationen weniger Stresshormone ausschütten und so dauerhaft besser geschützt seien.

Die drei Vorträge machen klar: Wir sind nicht grundsätzlich der Spielball der Umwelt, sondern unsere Erfahrungen, unser Lernverhalten und unsere Ressourcen helfen uns dabei, mit Krisen umzugehen. Sich in Krisenzeiten auf das zu konzentrieren, was man persönlich beeinflussen kann, hilft uns im Umgang damit.

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