"Pandemic Silence Projekt" dokumentiert Klang der Corona-Lockdowns

Seit Anfang April sammelt Andreas von Bubnoff, Wissenschaftskommunikations-Professor an der Fakultät für Technologie und Bionik, Audioaufnahmen aus aller Welt, um den veränderten Klang des Planeten während der Covid-19 Pandemie zu dokumentieren.

Im Anthropozän ist die Erde von ständiger menschlicher Aktivität geprägt: Autos, Züge, Flugzeuge, Fabriken, Presslufthämmer und viele andere Geräusch- und Lärmquellen schaffen zusammen eine kontinuierliche „Anthropophonie“, wie der Klangökologe Bernie Krause es nennt. Aber wegen des Coronavirus wurde und wird in sehr vielen Ländern das öffentliche und auch das wirtschaftliche Leben lahmgelegt, um eine unkontrollierte Ausbreitung der Krankheit Covid-19 zu verhindern.

Das hatte bereits überraschende Konsequenzen: In Indien sahen viele Menschen zum ersten Mal ihre Städte mit klarer Luft und vielleicht sogar die Berge des Himalaya in weiter Ferne, und in Berlin und anderen Städten wurden Tiere gesichtet.

Auch die Bilder menschenleerer Städte in aller Welt sind den meisten von uns inzwischen vertraut. Was aber viel weniger diskutiert wird ist, daß sich auch der Klang unserer Wohnorte, der Natur, ja des ganzen Planeten radikal zu verändern scheint. Zum Beispiel wird es vielerorts stiller. Aber was bedeutet diese plötzliche Stille für uns? Und was können wir aus dieser Stille lernen über den Einfluss, den wir zu normalen Zeiten auf den Klang dieses Planeten haben?

Andreas von Bubnoff, Professor für Wissenschaftskommunikation der Hochschule Rhein-Waal glaubt, dass das globale Herunterfahren der meisten menschlichen Aktivitäten während der Pandemie eine einzigartige Chance ist, solche Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen.

Daher hat er zusammen mit Veronica Semeco das Pandemic Silence Project ins Leben gerufen, das Menschen in aller Welt dazu einlädt, Klänge aufzunehmen, die sich während der Pandemie-Lockdowns im Vergleich zu früher verändert haben. Das muss nicht unbedingt immer grössere Stille bedeuten, sagt von Bubnoff, denn manche Klänge wie etwa der Morgengesang der Vögel sind auch eventuell besser zu hören—oder einfach anders.

Das Endergebnis soll eine kuratierte Sammlung der Klänge sein sowie Multimedia-Veröffentlichungen, unter anderem im Projekt AnthropoScene von RiffReporter sowie beim Journalismusprojekt South East Asia Globe in Phnom Penh, mit dem von Bubnoff kooperiert. Auch eine Zusammenarbeit mit Museen ist angedacht.

Die Einreichungen sind schon jetzt faszinierend, sagte von Bubnoff vor kurzem im Deutschlandfunk: Da ist die Aufnahme einer Frau aus Indien, die sagt, sie dachte, bestimmte Vögel seien ausgestorben gewesen und nun habe sie sie wieder gehört; eine Aufnahme aus Brooklyn mit dem Morgengesang eines Vogels untermalt von Klängen eines Helikopters und Ambulanzsirenen; oder eine Aufnahme aus einem Studierendenwohnheim mit Geschirrklappern und Gelächter aus einem Nebenzimmer, die zeigt, wie eine Frau voller Angst vor Ansteckung in Selbstisolation spült, während ihre Mitstudierenden nebenan sorglos Gäste einladen.

Das Projekt läuft bereits seit Anfang April, aber das Sammeln geht weiter, so von Bubnoff: Gebraucht wird mindestens ungefähr eine Minute Audio der „Klanglandschaft“; ein Foto des Ortes der Klangaufnahme; Ort, Datum und Uhrzeit der Klangaufnahme; und schliesslich noch ein kurzer Kommentar dazu, was zu hören ist und was an den Geräuschen und der Lockdown Situation ungewöhnlich ist. Eine genauere Anleitung findet sich hier, und das Formular zum Hochladen ist hier.