Interview mit Prof. Dr. Thomas Heun

WDR 3 zum Thema Corona und Werbung

Werbung ist mittlerweile überall um uns herum, egal wo wir uns bewegen, in der Fußgängerzone oder im sozialen Netzwerk. Zeiten, in denen wir uns weniger bewegen sind deshalb schwierige Zeiten für alle die direkt oder indirekt durch Werbung Geld verdienen.

Bild

WDR: Werbung ist mittlerweile überall um uns herum, egal wo wir uns bewegen, in der Fußgängerzone oder im sozialen Netzwerk. Zeiten, in denen wir uns weniger bewegen sind deshalb schwierige Zeiten für alle die direkt oder indirekt durch Werbung Geld verdienen. Ein anderer wichtiger Punkt: wie kann man überhaupt werben, wenn vieles plötzlich ganz anders ist, wenn die Menschen auf einmal andere Dinge wichtig finden oder auch einfach weniger Geld übrighaben. Viele Unternehmen haben schnell reagiert, haben ihre Spots umgestellt oder auch die Kanäle gewechselt, das haben Sie vielleicht auch schon beobachtet. Welche Strategien stecken da jeweils dahinter? Wie funktioniert Werbung sozusagen mit Mund- und Nasenabdeckung? Das bespreche ich jetzt mit Thomas Heun. Er ist Professor für Marketing an der internationalen Hochschule Rhein-Waal.

WDR: Guten Tag, Herr Heun.

T. Heun: Guten Tag, Frau Bittmann.

WDR: Wir leben ja in sehr merkwürdigen Zeiten im Moment. Vieles was immer selbstverständlich war ist nicht mehr möglich. Wir müssen uns vollkommen neue Rituale angewöhnen. Seit dieser Woche ist auch durch die Maskenpflicht das Einkaufen irgendwie unschöner und auch ein bisschen schwieriger geworden. Was bedeutet das für die Werbung?

T. Heun: Für die Werbung bedeutet das, dass man jetzt noch genauer hinschauen muss. Natürlich auch aufgrund der allumfassenden Einschränkung, die diese Pandemie gerade mit sich bringt. Dementsprechend müssen Werber noch sensibler sein. Und sie müssen sich in der Tat fragen, ist das jetzt überhaupt die Zeit für Werbung, und wenn ja, was für eine Werbung wollen sie in Zeiten von Corona.

WDR: Mein Eindruck in den letzten Wochen war, die Werbung ist insgesamt unglaublich emotional geworden. Da sehen wir Enkel, die ihren Großeltern über das Tablet Kussmünder schicken,  ganz viele Beispiele für Gemeinschaft, für Solidarität oder auch für fantasievollen Umgang mit der Situation. Würden Sie sagen das ist eine gute Strategie so zu werben?

T. Heun: Es ist eine Strategie, die es jetzt schon seit mehreren Jahren gibt. Werbung will oft eine emotionale Beziehung aufbauen. Und in der Tat sehen sich viele Unternehmen gerade mit der Herausforderung konfrontiert, was man denn noch über Werbung transportieren kann, weil viele Produktanlässe einfach nicht existieren. Also zum Beispiel denken wir jetzt an Soft Drinks oder auch Bier. Dieser Konsum findet häufig in geselligen Runden statt. Wie will man dafür gerade werben? Und da ist es halt eine gängige Strategie zu sagen: Okay, wir versuchen uns als Marke in eine Position zu bringen, in der wir einfach einen positiven Beitrag für eine bessere Lebensqualität der Menschen leisten wollen. Und das findet oft auf einer allgemeinen emotionalen Ebene statt. Das wirkt dann sehr behutsam. Auch mit Blick darauf, dass Unternehmen den Eindruck vermeiden wollen, gerade in dieser Zeit auf eine „platte Art“ Geschäfte zu machen.

WDR: Manche Unternehmen inszenieren sich ja auch als verantwortungsbewusst, als Helfer oder auch als jemand der Ideen gegen die Krise entwickelt. Was braucht es da, dass das Ganze auch glaubhaft wirkt?

T. Heun: Also ich glaube es braucht da, wie halt häufig in der Werbung, eine gewisse Kreativität. Das die Leute das auch wirklich als einen Mehrwert wahrnehmen. Das es nicht der 20-ste Versuch ist den Menschen beizubringen, wie sie fit und gesund durch den Homeoffice-Alltag gehen können. Also nicht ein weiteres Werbeversprechen von einer x-beliebigen Marke, sondern dass man denkt: Wow, das ist jetzt irgendwie mal eine gute Idee, wie wir jetzt alle diese anstrengende Zeit etwas besser überstehen können.

WDR: Wie schwierig ist den Humor in der Werbung jetzt im Moment in der Situation?

T. Heun: Humor in der Werbung ist generell nicht leicht. Aber im Moment merkt man es auch bei Werbenden, die viel mit Humor arbeiten, dass diese sehr vorsichtig sind. Das Besondere an der jetzigen Situation ist, dass Corona die Gesundheit von allen bedroht. Und auch diejenigen, die sonst immer sehr souverän und konsequent auf Humor setzen, kommen auf einmal ernsthaft daher.

WDR: Würden Sie sagen, man kommt am Thema Covid-19 momentan überhaupt vorbei ?

T. Heun: Also man kommt nicht wirklich daran vorbei sich intern in den Unternehmen damit zu befassen und sich die Fragen zu stellen: Wie gehen wir jetzt mit dem Thema um? Was bedeutet das für unser Unternehmen, unsere Marken und dann dementsprechend auch für unsere Werbung? Aber ich sehe jetzt keine Verpflichtung für werbetreibende Unternehmen ein Statement dazu abzugeben oder sich zu Corona zu äußern. Es kann durchaus eine Strategie sein, näher am Produkt zu kommunizieren und einfach das zu sagen, was das Produkt heute wie gestern auszeichnet.

WDR: Ich habe ja anfangs schon gesagt, dass die Werbung jetzt auch vielfach die Kanäle wechselt bzw. vor allem eben verstärkt in den sozialen Netzwerken aktiv ist. Was genau sind da die Überlegungen?

T. Heun: Da steckt häufig einfach ein ganz technischer Grund dahinter: Werbung über die sozialen Netzwerke lässt sich sehr kurzfristig erstellen und anpassen. Wenn wir jetzt an Fernsehwerbung oder auch Printwerbung denken, die brauchen deutlich längere Vorlaufzeiten. Und bei Sozialen Medien handelt sich um Kanäle, über die man leicht in Interaktion mit Konsumenten treten kann. Sie haben es zitiert- emotionale Familiensituationen, die jetzt gezeigt werden, die sind ja oft auch Initiativen verbunden und man erhofft sich da diese sogenannten „responses“. Also das die Leute einsteigen, die sozialen Netzwerke dementsprechend nutzen, aktiv werden und Bezug nehmen auf diese Kampagnen.

WDR: Und die Leute sind ja momentan auch verstärkt in den sozialen Netzwerken unterwegs.

T. Heun: Genau. Deren Nutzung ist sicher weiter gestiegen. Von daher schaut die Werbung, wo man die Menschen erreichen kann. Aber generell ist es so, dass diese Corona-Krise auch die Werbewirtschaft trifft. Allein im März sind 6% der Werbespendings verloren gegangen, verglichen mit dem Vorjahr. Das ist schon ein sehr deutlicher Einschnitt. Von daher kann man nicht wirklich von einer guten Zeit für die Werbebranche sprechen.

WDR: Was ja auch mit der schwindenden Kauflust oder der gerade nicht vorhandenen Kauflust zusammenhängt. Gibt es da irgendwelche Strategien damit umzugehen, dass einiges im Moment gar nicht mehr nachgefragt wird?

T. Heun: Das ist schwer da pauschale Antworten zu finden, da es eine vergleichbare Situation in dem Ausmaß noch nicht gab. Marketing und Werbebudgets werden gerade in schwierigen Zeiten zuerst zusammengestrichen. Und das merkt man jetzt auch ganz deutlich. Da hat auch eine Werbeabteilung ein bisschen Zeit sich Gedanken zu machen, was man den als Nächstes tun kann. Ganz generell gibt es aber auch den gegenläufigen Trend. Es gibt auch ein paar Branchen, die davon profitieren, die Umsatzzuwächse zu verzeichnen haben. Und auch da muss man sagen, die Strategien sind da eindeutig, auch wenn die Werbung sehr emotional und wenig verkäuferisch wirkt. Auch hier geht es darum, möglichst nah an die Menschen heran zu kommen. Wenn man sich die Werbung des Lebensmitteleinzelhandels anschaut, da scheint gerade ein kleiner Wettbewerb stattzufinden um das Thema „Bei wem fühlt ihr euch den jetzt am besten aufgehoben? Und wo gebt ihr denn jetzt all das Geld aus, das ihr anderweitig nicht ausgeben könnt?“

WDR: Professor Thomas Heun unterrichtet Marketing und Methoden an der internationalen Hochschule Rhein-Waal. Außerdem berät er Unternehmen und schreibt auch übers Thema Werbung. Ich habe ihn gefragt „Wie funktioniert eigentlich Werbung, wenn alle nur über Cornona reden?“ Vielen Dank für Ihre Einblicke!

T. Heun: Vielen Dank für das Gespräch.

Information