„Nachhaltigkeit ist das Thema der Hochschule für die kommenden Jahre“: Der 4. Ethiktag der Hochschule Rhein-Waal

„Nachhaltigkeit unter Stress. Frakturen in Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft“ lautete das Motto des 4. Ethiktags der Hochschule Rhein-Waal Ende Juni. Die Veranstaltung auf dem Campus Kamp-Lintfort setzte sich aus einem vielfältigen Programm mit verschiedenen Themenschwerpunkten zusammen.

Hochschulpräsident Dr. Oliver Locker-Grütjen betonte bei seiner Begrüßung vor rund 100 Gästen, dass das Thema Nachhaltigkeit – auch im Zuge der jüngsten Excellence-Förderung – das zentrale Thema der Hochschule in den kommenden Jahren sein werde. Ziel sei es, die Studierenden und damit die kommenden Generationen, auf die Herausforderungen der Zukunft, wie die wirtschaftlichen Lasten, die Folgen des Klimawandels und die gesellschaftlichen Herausforderungen vorzubereiten.

Prof. Dr. Achim Truger, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung, ging in seiner Keynote auf die deutsche Konjunktur 2022/2023 ein und beschrieb die verschiedenen Einflüsse der Coronapandemie, wie Lockdowns und Lieferkettenprobleme, die zu dem historischen Absturz der deutschen Konjunktur führten. Zudem erläuterte er, welchen Einfluss der Ukrainekrieg durch Lieferengpässe, steigende Energiekosten und die zunehmende Unsicherheit auf die deutsche Konjunktur und Inflation habe. Als wesentlichen Stabilisator der Krise in Deutschland sähe er den robusten Arbeitsmarkt, der sich trotz Krisen positiv entwickle. Auch bei der Schuldenstandsquote des deutschen Staates gab er Entwarnung, hier stehe Deutschland sowohl im historischen als auch internationalen Vergleich positiv dar.

Im zweiten Themenblock behandelte er die Inflation und die Auswirkungen des Energiepreisanstiegs und der Entlastungspakete. Besonders die Entwicklung der Gaspreise habe historisches Ausmaß erreicht. Er begrüßte, dass die zwei Entlastungspakete die finanziell schwächsten Haushalte am stärksten entlasten würden. Allerdings zeige sich ein ungünstiges Verteilungsprinzip durch den Wohlstandsverlust von 3%, der die ärmsten Haushalte am stärksten belaste. Hier müssten kommende Entlastungspakete ansetzen.

Abschließend erläuterte Truger die Auswirkungen eines Gas-Embargos von Russland, welches weitreichende Folgen für die Industrie bis in die untersten Produktionsebenen hätte. Die Frage nach einem Embargo könne nur durch interdisziplinäre Abwägungen beantwortet werden – die alleinige ökonomische Sicht reiche dafür nicht aus. Klares Ziel müsse aber sein, die Energieabhängigkeit zu reduzieren. Auch andere Maßnahmen wie Energiesparen, ein allgemeines Tempolimit, eine Reduktion des Gasverbrauchs der Privathaushalte und für eine kurzfristige Überbrückung, stärkere Energiegewinnung aus Kohle und Atomkraft, müssten in den Fokus gerückt werden. Langfristig und auch im Sinne der Nachhaltigkeit müsse die Abhängigkeit durch regenerative Energien im eigenen Land beendet werden.

Der Vortrag von Prof. Dr. Jakob Lempp, Politologe der Hochschule Rhein-Waal, setzte sich mit dem Begriff und Fragen des Populismus auseinander. Die Ursachen für Populismus seien vielfältig, so Lempp, doch in der Regel bestehe eine Nachfrage beispielsweise durch Krisen, schlechtempfundener Regierungsführung oder auch dem Wandel der Mediennutzung. Dem gegenüber stehe ein Angebot von populistischen Führungsfiguren oder -parteien, die meist aus einer Kombination von Populismus und Wirtsideologie bestehen oder Anti-Establishment Themen besetzen. Die Präsenz von Populismus sei dabei eng mit der Zufriedenheit des Status Quo des Demokratiestands verknüpft und sei kein Randphänomen mehr: Die Zufriedenheit und das Vertrauen mit und in Institutionen des politischen Systems nehmen weiter ab.

Um Populismus zu verringern, gäbe es Lösungsansätze auf vier verschiedenen Ebenen, diskursiv, kognitionspsychologisch und politisch sowohl auf der Nachfrage- als auch Angebotsseite. Lempp sieht bei Populisten einen Mangel die eigene Wahrnehmung in der Welt einzuschätzen. Der Populismus sei auch in Krisenzeiten erstaunlich resilient, also dann, wenn eigentlich auf reale Probleme reagiert werden sollte. Dennoch sieht er auch eine Chance in Krisen, denn dadurch könne auch die Wahrnehmung gesteigert werden, dass ein reales Problem vorliege und damit auch ein realer Umgang folgen sollte und so auch mehr die Bereitschaft bestünde diese Probleme Expert*innen zu überlassen. Prof. Dr. Josh Spero von der Fitchburg State University gab abschließend per Schalte seine Einschätzung zum Populismus in Amerika.

Lokale Lösungen für globale Herausforderungen finden – das ist das Ziel von „Permakultur Niederrhein e.V.“, den HSRW-Prof. Dr. Florian Wichern und Christopher Henrichs, Alumni der Hochschule, nach den Impulsvorträgen vorstellten. Bei der transformativen Forschung in der Landwirtschaft liege der Fokus dabei auf gemeinsamen Entwicklungsprozessen mit verschiedenen Expert*innen aus der Wissenschaft und der Praxis, die Lösungsansätze für lokale Ereignisse wie Trockenheit im Kreis Kleve oder Starkregenereignisse finden wollen. Sie stellten ein Modell des Campus Kleve vor, welches die verschiedenen Gegebenheiten wie Winde, Wasserstellen usw. berücksichtigt und zeigten auf, wie ein möglicher Showgarten mit verschiedenen Projekten auf dem Campus aussehen könnte.

Sabine Portmann, Riana Pohl und Friederike Bartholme stellten die Organisation „Brot für die Welt“ vor und bezogen sich dabei insbesondere auf Nachhaltigkeit und fairen Handel. Brot für die Welt ist in 90 Ländern vertreten und arbeitet vor Ort mit lokalen Partnerorganisationen zusammen und fördert nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“.

Neben den Vorträgen fanden drei verschiedene Workshops für die Teilnehmenden statt. Prof. Dr. Florian Wichern und Christopher Heinrichs, befassten sich interaktiv mit „transformativer Forschung zur Permakultur“. Mit dem Thema „Nachhaltigkeit und Fairer Handel – globale Zusammenhänge“ setzten sich Sabine Portmann, Riana Pohl und Friederike Bartholmé von „Brot für die Welt“ auseinander. Der AStA organisierte in Zusammenarbeit mit Elena Buksmann einen Workshop zum Thema „Cross-Generationale Einsamkeit: Von der pandemiebedingten Isolation zurück zu Menschenmassen“.

Die Diskussionsteilnehmer*innen Prof. Dr. Irmgard Buder, Prof. Dr. Florian Wichern, Prof. Dr. Torsten Niechoj, Dr. Maximilian Sommer und die AStA-Vertreterin Katerina Moorehead diskutierten im Anschluss über die Themen Nachhaltigkeit im Alltag, ein verpflichtendes gesellschaftliches oder soziales Jahr und die Auswirkungen von Degrowth, die Reduzierung von Konsum und Produktion, für die Umwelt und die Weltbevölkerung. Katerina Moorehead vom AStA wünschte sich mehr finanzielle Unterstützung für Start-Ups, die sich mit nachhaltigen Ideen und Lösungen auseinandersetzen. StartGlocal der Hochschule würde zeigen, dass Studierende sehr gute und nachhaltige Ideen hätten, so Moorehead.