Innovation für den Mittelstand: Erster „Cross-Innovation Day“ fand Anfang September 2022 in Kamp-Lintfort statt

Globalisierung, demografischer Wandel, Klimawandel, Digitalisierung oder neue Technologien – es gibt zahlreiche äußere Faktoren, die den Wettbewerbsdruck auf Unternehmen in nahezu allen Branchen erhöhen. Disruptionen und immer schneller stattfindende Veränderungen durch die Corona-Pandemie, Energiekrise oder Brüche in Wertschöpfungsketten durch weltpolitische Verwerfungen bedürfen agiler Anpassungen. Unternehmen sind gezwungen zu reagieren und Wettbewerbsvorteile, z.B. durch Innovationen zu schaffen. Aber was bedeutet das? Wann ist man innovativ und wie wird man noch innovativer? Diesen Fragen widmet sich die Hochschule Rhein-Waal im Rahmen des vom EFRE geförderten Projektes „Cross-Innovation Lab NiederRhein“ (kurz: XI-Lab) und lud Anfang September nach Kamp-Lintfort zum ersten „Cross-Innovation Day“, einer kostenlosen mittelstandsorientierten Konferenz zum Thema Innovationsfindung- und Management, ein.

von links nach rechts: Kersting Helmerdig, Dr. Oliver Locker-Grütjen, Dr. Jörg Liebe, Prof. Dr. Ellen Enkel, Eva de Schrevel, Dr. Reiner Nikula, Christian Buchholz, Prof. Dr. Karsten Nebe ©Christian Spieß

Etwa 70 Teilnehmende aus kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU), Industrie- und Handelskammer, Wirtschaftsförderung, Verbänden und interessierten Bürger*innen der Region Niederrhein fanden sich im Audimax der Hochschule Rhein-Waal ein, um sich zu dem Thema Cross-Innovation auszutauschen. Projektleiter Prof. Dr. Karsten Nebe erklärt: „Ziel der Veranstaltung ist, den Teilnehmenden der Region einen Einblick in das Thema Cross-Innovation zu geben, neue Impulse zu setzen und Austausch anzuregen, um auch außerhalb der ‚eigenen vier (Unternehmens-)Wände‘ Innovation zu initiieren“.

Dr. Oliver Locker-Grütjen ©Marie Reintjes

Präsident Dr. Oliver Locker-Grütjen benannte das Thema des Tages in seiner Begrüßung: der Blick über den Tellerrand. Cross-Innovation sei ein Ansatz, den die Hochschule bereits seit Beginn verfolge und täglich zu leben versuche. Übergreifender Innovationsaustausch finde auch in den täglichen Projekten der Studierenden statt und würde insbesondere durch die Internationalität der Studierenden begünstigt. Dr. Oliver Locker-Grütjen sah die größte Chance für Cross-Innovationen in Bezug auf Nachhaltigkeit und die Transformation im Kampf gegen den Klimawandel.

Christian Buchholz ©Marie Reintjes

Den Auftakt in die inhaltliche Veranstaltung machte Christian Buchholz vom ‚Institute for Innovation Competence‘, der schon viele Jahre als Innovationscoach in unterschiedlichen Bereichen arbeitet. Für Christian Buchholz sei eine Innovation aber nicht nur etwas Neues, sondern insbesondere etwas Nützliches. Die Entscheidung, wie innovativ ein Produkt wirklich ist, trifft der Kunde und deshalb sollten Innovationen immer früh getestet werden. Als positives Beispiel hierfür nannte er den Ikea-Gründer Ingvar Kamprad, der durch die genaue Beobachtung seiner Kund*innen schon vor ihnen spürte, was diese wirklich wollten. „Richtig gute Ideen lösen Probleme, die der Kunde noch gar nicht hat“, so Christian Buchholz. Und diese Ideen entstehen durch Cross-Innovationen. Zudem müsse das Produkt nicht nur mit Blick auf Kund*innen und Anwender*innen bedacht werden. Es müsse auch bedacht werden, was mit dem Produkt passiert, wenn es nicht mehr gebraucht werde. Die Nachhaltigkeitstransformation müsse bei jedem Produkt mitgedacht werden und könne nur umfassend bedacht werden, wenn ein Austausch zwischen verschiedenen Akteur*innen stattfinde, weil das Problem als solches zu komplex sei.

Prof. Dr. Karsten Nebe ©Marie Reintjes

Prof. Dr. Karsten Nebe stellte im Anschluss in seiner Funktion als Projektleiter das Cross-Innovation Lab Niederrhein vor. Ziel des Cross-Innovation Labs sei es, einen neuartigen methodischen Ansatz für ein regionales Innovationssystem zu entwickeln, der im hohen Maße auf der Aktivierung regionaler Akteure durch Einbezug in konkrete Ideenfindungs- und Umsetzungsprozesse beruhe. Nebe erklärte zudem, was Cross-Innovation bedeutet und welche positiven Beispiele es bereits gäbe. Cross-Innovation beschreibe den Prozess des Wissenstransfers zwischen Branchenakteuren aus unterschiedlichen Bereichen. Im Mittelpunkt von cross-innovativer Zusammenarbeit steht dabei ein Problem, bei dem mindestens zwei verschiedene Akteure Interesse an der Lösung haben und daher zusammenarbeiten, wie zum Beispiel bei der Zusammenarbeit eines Automobilherstellers und der Spieleindustrie, die gemeinsam einen Controller für die Mittelkonsole eines Fahrzeugs entwickelt haben, der viele Funktionen auf kleinstem Raum bietet und gleichzeitig den Blick auf die Straße ermöglicht.

Um cross-innovativ zu arbeiten, sei es wichtig, offen zu bleiben und auch offen mit Problemen umzugehen, um Wissen von außen zulassen zu können. Die Arbeit im Cross-Innovation Lab Niederrhein erfolgt methodenbasierend und in verschiedenen Phasen. Es werden in Labs und Workshops verschiedene Akteure zusammengebracht, wie jüngst 16 Unternehmen aus der Region, um neue Ideen und Business-Modelle zu entwickeln. Hieraus seien auch Kooperationen entstanden.

von links nach rechts: Eva de Schrevel und Kersting Helmerdig ©Marie Reintjes

Eva de Schrevel, Gründerin und Gründungsberaterin an der Hochschule Düsseldorf, berichtete vom Innovationsgehalt des erfolgreichen Scheiterns. Mit ihrer ersten Gründung konnte Eva de Schrevel 2019 sogar den Deutschen Gastro-Gründerpreis gewinnen. Jedoch zeigte sich, dass auch die beste Geschäftsidee an viele weitere Faktoren geknüpft sei, um erfolgreich zu sein, u.a. die richtige Standortentscheidung, konservative Rechnungen im Businessplan, verfügbare Geschäftspartner*innen und letztlich Branchenwissen. Während der Pandemie musste de Schrevel den Entschluss fassen, ihre erste Gründung aufzugeben. Jetzt arbeitet sie in der Gründerberatung und erklärt Studierenden, auch anhand ihrer Erfahrungen, was diese besser machen können. Sie selbst habe nun einen Neustart gewagt und erneut gegründet. Sie erklärte, dass die Förderung der intrapreneurialer Fähigkeiten von Menschen und Mitarbeitenden besonders darin liegt, Ideen Raum zu geben und auch Vertrauen zu schenken. Das Führungspersonal müsse die Mitarbeitenden inspirieren, informieren und auch die Fähigkeiten fördern, um das persönliche Wachstum voranzutreiben. Für sie bedeutet Förderung von Intrapreneurship Förderung von Innovation.

Dr. Jörg Liebe © Marie Reintjes

Dr. Jörg Liebe, Chief Innovation Officer bei Lufthansa Systems, hielt einen Kurzvortrag darüber, wie Mitarbeitende im Bereich Innovationen motiviert werden können. Er merkte an, dass viele Innovationsmethoden auf die Ideenfindung abzielen, aber dahinter auch immer ein Konzept stehen müsse. Wenn Mitarbeitende in einen Innovationsprozess einbezogen werden sollen, sei es wichtig, bereits zu Anfang klar zu machen, dass nicht alle Ideen umgesetzt werden könnten. Dr. Jörg Liebe machte in seinem Vortrag deutlich, dass in diesen Prozessen die interne Kommunikation das Wichtigste sei.

Dr. Reiner Nikula ©Marie Reintjes

Laut Dr. Reiner Nikula sei der größte Unterschied zwischen ‚radikalen Innovator*innen‘ und anderen, dass sie ihren Markt nicht kennen und somit keine Marktanalyse vornehmen könnten. Innovationen seien etwas komplett Neues und der Markt hierfür sei schlicht noch nicht vorhanden. Die ‚radikalen Innovator*innen‘ seien seiner Studie nach individualistischer und überraschend weniger kommunikativ als inkrementelle Innovatoren, hätten aber einen deutlich höheren Bildungsgrad. Nikula stellte fest, dass man für radikale Innovationen vier Kompetenzen bräuche: Ein Team muss erst von allem anderen abgeschirmt werden und müsse dann zwischen denken, träumen, inspirieren und handeln wechseln können.

Prof. Dr. Ellen Enkel ©Marie Reintjes

Den Abschluss der Vortragsreihe machte Prof. Dr. Ellen Enkel von der Universität Duisburg-Essen, die sich mit Cross-Industry Innovation in der Theorie beschäftigt. Sie stellte dabei eine Studie vor, in der untersucht wurde, warum gewisse Partnerschaften innerhalb der Cross-Innovation radikale und andere inkrementelle Innovationen hervorbrachten. Der Studie lag die Grundannahme zugrunde, dass Wissen eine Distanz habe. Es gäbe Wissen, das Personen näher läge, weil man bereits damit zu tun hatte und es gäbe Wissen, das weit entfernt auf einer Skala der Wissensdistanz läge. Das Ergebnis: Wenn weitentferntes Wissen zusammengeführt wurde, ist das Potential groß, dass daraus radikale Innovationen entstehen würden. Und je innovativer, desto revolutionärer für den Markt.

Nach den Vorträgen, Paneldiskussionen und Workshops zog Veranstalter Prof. Dr. Karsten Nebe eine positive Bilanz: „Wir sind gespannt, wie die neuen Impulse ihren Weg in die Praxis finden werden“. Hierzu wird bis zum Projektende im Januar 2023 das Cross-Innovation Handbuch erstellt, das dazu beitragen soll, dass aus den Impulsen umsetzbare Ideen entstehen.

 

Hintergrundinformationen zum „Cross Innovation Lab NiederRhein“

„It’s not only about ideas. It‘s about to make ideas happen.” – Das Projekt „Cross-Innovation-Lab NiederRhein“ begegnet der abnehmenden Innovationsneigung im Mittelstand mit Austausch und Kooperation. Gemeinsam mit Projektpartner*innen unterstützen die Hochschule Rhein-Waal und die Hochschule Ruhr West regionale Akteur*innen in ihren konkreten Ideenfindungs- und Umsetzungsprozessen. Die branchenübergreifende Chancen der Digitalisierung stehen dabei im Vordergrund. Mitmachen ist ausdrücklich erwünscht. Das „Cross-Innovation-Lab Niederrhein“ verfügt über ein Gesamtvolumen von rund 2,3 Millionen Euro und wird aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert. Weitere Informationen finden Interessierte hier: https://www.xi-lab.org/.

Auf der Website des Projekts können Ergebnisse und weitere Entwicklungen in Sachen Cross-Innovation am Niederrhein verfolgt werden (www.xi-lab.org) Außerdem steht dort das Cross-Innovation Prozessmodell, welches vom Projekt entwickelt wurde, zum Download bereit.

Für alle, die den Cross-Innovation Day verpasst haben, werden die Vorträge in Kürze auf dem YouTube-Kanal des Cross-Innovation Labs online gestellt.

Ansprechpartner*innen

Prof. Dr. Karsten Nebe

Fakultät Kommunikation und Umwelt

Projektleitung Cross-Innovation Lab Niederrhein

Professor für Usability Engineering und Digitale Fertigung

Tel.: +49 (0) 2842 90825-233

E-Mail: karsten.nebe@hochschule-rhein-waal.de

 

Claudia Gerrits van den Ende

Fakultät Kommunikation und Umwelt

Projektmanagement „Cross-Innovation Lab – NiederRhein“

Tel.: +49 (0) 2842 90825-9676

E-Mail: claudia.gerritsvandenende@hochschule-rhein-waal.de