Coronavirus – Fachbeiträge

Hier finden Sie interessante Beiträge unserer Professor*innen und Mitarbeiter*innen zur aktuellen Situation.

 

 

 

Beitrag von Dr. Holger Angenent und Dr. Oliver Locker-Grütjen

Zukunft ist digital ist normal

Die durch die Covid-19-Pandemie ausgelöste Digitalisierung hat mehr Potenzial, das System Hochschule zu verändern, als die Bolognareform, sagen Dr. Holger Angenent und Dr. Oliver Locker-Grütjen in einem Gastbeitrag für DUZ. Weiterlesen

 

 

Interview mit Prof. Dr. Thomas Heun 

Herr Professor Heun, wie läuft die Lehre im digitalen Sommersemester 2020?

Für eine abschließende Bewertung ist es mitten in der Vorlesungszeit noch zu früh. Aber der entscheidende Punkt bezogen auf meine Lehrveranstaltungen ist: ein guter Teil der Studierenden scheint sich in den digitalen Unterricht eingefunden zu haben. Wie ich das erkenne? Ich sehe auf den digitalen Lernplattformen aktive Studierende, erste Prüfungsleistungen wurden erfolgreich erbracht und es erreichen mich bisher kaum Klagen.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen in diesem Semester?

Die größte Herausforderung aus der Sicht des Hochschullehrers ist die grundlegende Frage nach der Teilhabe. Auch wenn ich ein gewisses Maß an Aktivität in meinen Kursen beobachte, betrifft das offensichtlich nicht alle Studierenden. Auch Kolleginnen und Kollegen beobachten dieses Phänomen.

Und was meinen Sie, woran das liegt?

Ich beobachte, dass die „Aktivposten“ unter den Studierenden sich auch schneller und besser in den rein digitalen Lernwelten zurechtfinden. Das ist der Studierenden-Typus, der auch in Präsenzzeiten und in größeren Gruppen auffällt. Die genauen Gründe für das höhere Maß an Aktivität kenne auch ich nicht; es kann an der Motivation liegen, aber auch an einem mehr an Zeit für Bildung, höherer Medienkompetenz etc. Parallel dazu gibt einen Graubereich und Studierende, die die Kommunikationskanäle zu mir, wie z. B. Kurs-spezifische Video-Sprechstunden, nicht nutzen und bisher nicht in Erscheinung treten. Da stellt sich mir schon die Frage, ob diese Studierenden aktuell von unseren Lehraktivitäten erreicht werden.

Und welche Herausforderungen gibt es noch? Digitale Technik und rechtliche Rahmenbedingungen wurden seit Beginn des Semesters ja intensiv diskutiert …

Ja, diese Diskussionen habe ich auch als sehr raumgreifend wahrgenommen. Technisch hatten weder ich noch meine Studierenden größere Probleme, was auch an der tollen Unterstützung durch unser E-Learning-Zentrum liegt. Die rechtlichen Fragen betrafen oft das Prüfungswesen, und hier insbesondere die Frage der Präsenzklausuren. Auch das hat mich und meine Studierenden weniger betroffen, da ich auf digitale Formate unter Vermeidung von Präsenz, wie z. B. E-Portfolios, gesetzt habe.

Eine der größten Herausforderung ist für mich die Frage nach der „E-Didaktik“. Also die Frage wie Lernen denn in rein digitalen Lernumgebungen stattfindet und erfolgreich gestaltet werden kann.

Und? Wie verändert sich das digitale Lernen?

Diese Frage ist natürlich auch von mir nicht so einfach zu beantworten. Aber klar ist, dass die Studierenden die digitalen Medien und damit auch digitale Inhalte auch schon vor diesem Semester stark nutzen. Dieser Prozess wurde durch das Ausweichen von Präsenzvorlesungen im Hörsaal auf alternative Vermittlungsformen und durch geschlossene Bibliotheken mit all ihren gedruckten Quellen, auf die auch ich als Hochschullehrer gerne verweise, noch einmal dynamisiert. Eine gute Idee ist es meiner Meinung nach, wenn sich Lehrende mit aktuellen Lerntheorien, wie z. B. der des Konnektivismus, befassen. Mir hat der Ansatz geholfen, Studierende leichter zu aktivieren und Lehre interaktiver und selbstbestimmter aus Sicht der Lernenden zu gestalten. Ganz konkret habe ich Studierende in diesem Semester viel stärker dazu animiert sich auf die Such nach „eigenen Quellen“ zu begeben, mit anderen Studierenden über digitale Plattformen nach dem „Wiki-Prinzip“ zu kollaborieren und gemeinsam Beiträge auf den bereitgestellten Plattformen zu veröffentlichen.

Das klingt nach neuen Erfahrungen für beide Seiten. Wie hat das funktioniert? 

Am Anfang war ich in der Tat auch als „Animateur“ gefragt. Aber mit der Zeit haben die Studierenden die auch für sie ungewohnte Rolle angenommen und realisiert, dass Lernen mit der eigenen Aktivität beginnt und die „guten Quellen“ des Wissens nicht nur vorne im Hörsaal stehen oder in wissenschaftlichen Publikationen stecken, sondern dass sie sogar von Mit-Studierenden einiges lernen können.

Prof. Dr. Thomas Heun ist Professor für Marketing & Methoden an der Fakultät Kommunikation & Umwelt und hochschuldidaktischer Mentor der HSRW.

 

Interview mit Prof. Dr. Eva Maria Hinterhuber

Gender und Diversität spielen im Kontext von COVID-19 eine zentrale Rolle. Wie gravierend die Folgen der Pandemie ausfallen, hängt nicht zuletzt von Geschlecht, sozialem Status, ethnischer Zugehörigkeit, Alter und Gesundheitszustand ab, und auch davon, in welchem Teil der Welt eine betroffene Person lebt.  

Der Studiengang Gender and Diversity, B.A., sowie das zentrale Gleichstellungsteam der Hochschule Rhein-Waal, Stefanie Aunkofer, Katja Flockau, Imke Hans, Prof. Dr. Eva Maria Hinterhuber, Prof. Dr. Ingrid Jungwirth und Prof. Dr. Tatiana Zimenkova, haben auf die aktuelle Krise mit einer gemeinsamen Veröffentlichung auf der Homepage des Studiengangs geantwortet. Darin wird ebenfalls auf die globale Infragestellung von Gender Studies, die aktuell in Zusammenhang mit Covid-19 steht, eingegangen.

Prof. Dr. Eva Maria Hinterhuber, Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Genderforschung, spricht über intersektionale Herausforderungen im Zusammenhang mit COVID-19 aus der Sicht von Gender and Diversity Studies

Können Sie einen Überblick darüber geben, was die aktuellen Herausforderungen aus einer Gender- und Diversity-Perspektive in Zeiten von COVID-19 sind?

In den letzten Wochen ist der Zusammenhang von Gender und Diversität im Kontext von Corona in Politik, Gesellschaft und Medien zum Thema geworden. Im Zuge der Maßnahmen zur physischen Distanznahme wird bspw. ein Anstieg häuslicher Gewalt festgestellt. Die geschlechterdifferenzierten Herausforderungen zur Bewältigung des Spagats zwischen Home-Office und Home-Schooling werden diskutiert. Die schlechten Arbeitsbedingungen sowie die ungerechte Entlohnung von weiblich dominierten Berufsgruppen wie die der Supermarktkassiererin, der Altenpflegerin oder der Krankenschwester rücken in den Fokus. Ebenso unter schlechten Arbeitsbedingungen bei niedriger Entlohnung werden die männlich dominierten Lieferdienste erbracht, wobei die Beschäftigten auch hier häufig eine Migrationsgeschichte haben. Es wird betont, dass die Menschen in diesen nunmehr als systemrelevant erkannten Berufen die Gesellschaft zusammenhalten, wie sich gerade in Krisenzeiten zeigt; gleichzeitig wird kritisiert, dass sie sich dennoch in den unteren und untersten Lohngruppen wiederfinden.

Das Schließen der Tafeln im Zuge des Versammlungsverbotes wiederum betrifft die ärmste Bevölkerungsschicht. Personen in prekären Beschäftigungsverhältnissen sind von den wirtschaftlichen Auswirkungen besonders betroffen. Dies gilt umso mehr für Menschen in besonders vulnerablen Situationen, wie zum Beispiel in Flüchtlingslagern.

Gibt es auch Herausforderungen im internationalen Umfeld?

Aus dem Ausland kamen Berichte, dass aufgrund struktureller Benachteiligung im US-amerikanischen Gesundheitswesen People of Color überproportional zu den aufgrund von Corona zu beklagenden Toten gehören. Auch von Übergriffen auf Transpersonen im Kontext von Ausgangsregelungen in Ländern wie bspw. Panama, bei denen tageweise abwechselnd Männer und Frauen das Haus verlassen dürfen, wurde berichtet.

Für die Gesundheitssysteme armer Länder stellt die Pandemie eine noch größere Herausforderung dar, ein Umstand, der auch im Kontext kolonialer Gesellschafts- und Ausbeutungsstrukturen gesehen werden kann, die bis heute nachwirken.

Welche Rolle spielen die Gender and Diversity Studies in der COVID-19-Pandemie?

Das Zusammenspiel von verschiedenen Ungleichheitskategorien zu erforschen und Beiträge dafür zu liefern, wie die negativen Auswirkungen derselben überwunden werden können, liegt im Kern der transdisziplinären Gender und Diversity Studies.

Ziel ist, gleichen Teilhabechancen für alle näher zu kommen. Wie relevant die Zugänge der Disziplin auch im Kontext der COVID-19-Pandemie sind, zeigt sich deutlich an den genannten Themen. Die Hochschule Rhein-Waal hat die Relevanz der Disziplin von Beginn an erkannt und bietet als erste Fachhochschule den Bachelorstudiengang  “Gender and Diversity“ mit starkem Anwendungsbezug an.

Antidemokratische Angriffe auf Gender and Diversity Studies

In der Vergangenheit gab es immer wieder antidemokratische Angriffe auf die Gender and Diversity Studies. Was können Sie über die Akzeptanz der wissenschaftlichen Disziplin berichten?

Gender and Diversity Studies sind nicht erst seit der Corona-Krise Zielscheibe von antidemokratischen Angriffen. Allerdings erleichtern Krisen bekanntermaßen Argumentationen und Wortmeldungen, die emanzipatorische, feministische oder progressive Diskurse als Luxusproblem darstellen. Im Kontext von Corona beförderte bereits Mitte März Cicero-Autor Alexander Kissler das Narrativ, dass an deutschen Universitäten Naturwissenschaften von Politikwissenschaften und Geschlechterstudien dominiert würden. Dabei spricht der Journalist durch das Setzen der letztgenannten Disziplinen in Anführungszeichen diesen ihre Wissenschaftlichkeit ab. Auch die AfD-Fraktion im Bundestag bedient sich der selektiven Gegenüberstellung von Pharmazie und Gender Studies im Hinblick auf den vermeintlichen Nutzen, verknüpft mit dem Urteil, die Gender-Professuren könnten „alle weg“ – und verbunden mit der Forderung, deren staatliche Finanzierung einzustellen.

Der regelmäßig durch Kritik an den Gender Studies bzw. an geschlechtergerechter Sprache in Erscheinung tretende Verein „Deutsche Sprache“ verschaffte sich jüngst mit einem in den Medien breit aufgegriffenen Facebook-Post Öffentlichkeit. Demzufolge fehlten vermeintliche Milliardensummen, die in Deutschland der Erforschung von Geschlecht und der „Geschlechterpolitik“ zur Verfügung stünden, nun den Krankenhäusern und der naturwissenschaftlichen Forschung (darunter der Virologie und Pharmazie). Dies wurde bspw. durch Josef Kraus‘ „Vergesst Corona – Studiert Gender“ auf der Plattform Tichys Einblick aufgegriffen; der Studiengang „Gender and Diversity“ an der Hochschule Rhein-Waal wird hier namentlich genannt.

Nicht nur, dass diese Argumentation auf grotesk unzutreffenden Behauptungen beruht und Zusammenhänge konstruiert, die nicht gegeben sind – sie folgt auch einem bestimmten, hinlänglich bekannten Muster: Sich am zuerst selbst erstellten Zerrbild der Disziplin abzuarbeiten, ermöglicht es, den wirklich wichtigen Fragen auszuweichen, die an den Grundfesten der eigenen Überzeugungen rütteln könnten (Fragen nach der gesellschaftlichen und strukturellen Aufwertung von Sorgearbeit, der gerechten Bezahlung der oben genannten Berufsgruppen, der Orientierung des Gesundheitswesens am Gemeinwohl anstelle finanzieller Gewinnaussichten u. v. a. m.).

Die Notwendigkeit einer umfassenden wissenschaftlichen Perspektive in Corona-Krisenzeiten

Betrifft die mangelnde wissenschaftliche Akzeptanz denn die Geschlechterforschung alleine?

Zunächst verschleiert der alleinige Angriff auf die Geschlechterforschung die Tatsache ihrer Wissenschaftlichkeit und Eingebundenheit in ein weites interdisziplinäres und methodisch kontrolliertes Forschungsfeld. Die Geschlechterforschung ist ein interdisziplinäres Fach, das Theorien und Methoden unterschiedlichster Disziplinen wie Soziologie, Geschichtswissenschaft, Biologie, Politologie, Ökonomie, Medizin usw. vereint und folglich an die methodischen Verfahrensweisen der verschiedenen Disziplinen gekoppelt ist.

Das bedeutet, dass Geschlechterforschung stets den Gepflogenheiten der verschiedenen Disziplinen entsprechen muss. Die Kritik gegenüber den Gender Studies bzw. die Absage von Wissenschaftlichkeit weitet sich dementsprechend auf eine Kritik gegenüber den entsprechenden Disziplinen, deren theoretische und methodische Verortung und auf das gesamte Wissenschaftssystem aus. Somit steht der Angriff auf Geschlechterstudien für eine allgemeine Skepsis gegenüber den Sozialwissenschaft(en) und Wissenschaft im Allgemeinen, die in letzter Konsequenz Ergebnisse von Forschung nach erwünscht und nicht-erwünscht sortiert und mit ideologischen Überzeugungen gleichsetzt.

Wo sehen Sie konkreten Handlungsbedarf, wenn Sie an Gender and Diversity Studies in Bezug auf die COVID-19 Pandemie denken?

Vor dem Hintergrund einer gesellschaftlichen Krise von bislang unbekanntem und globalem Ausmaß ist eine umfassende Perspektive in den Wissenschaften erforderlich, die nicht nur in den Natur- bzw. Gesundheitswissenschaften erbracht wird, sondern die Gesellschaft und das Zusammenleben als Ganzes untersucht. Das Gebot der Stunde ist daher die Verteidigung von Gender und Diversity Studies und das Einfordern einer kritischen Auseinandersetzung mit denselben – will man das Feld nicht den Rechtspopulisten überlassen, die sich regelmäßig mit der pauschalen Abwertung von Gender Studies hervortun. Wohin es führen kann, wenn solche Vorstöße unerwidert bleiben, zeigt deutlich das Beispiel des EU-Mitgliedstaats Ungarn, das mit dem Verbot der Gender Studies nicht nur Wissenschaft als solche untergräbt, sondern auch die Ideale liberaler Demokratie wie Gleichberechtigung, Toleranz und Minderheitenrechte unterminiert. Es gilt, wie das Präsidium der Hochschule Rhein-Waal mit Bezugnahme auf Giovanni Boccaccio hervorgehoben hat, der „Vergiftung des gesellschaftlichen Lebens, der menschlichen Beziehungen“ und der „Barbarisierung des zivilen Umgangs“ entschlossen entgegenzutreten.

 

Interview mit Prof. Dr. Thomas Heun

WDR 3 zum Thema Corona und Werbung

WDR: Werbung ist mittlerweile überall um uns herum, egal wo wir uns bewegen, in der Fußgängerzone oder im sozialen Netzwerk. Zeiten, in denen wir uns weniger bewegen sind deshalb schwierige Zeiten für alle die direkt oder indirekt durch Werbung Geld verdienen. Ein anderer wichtiger Punkt: wie kann man überhaupt werben, wenn vieles plötzlich ganz anders ist, wenn die Menschen auf einmal andere Dinge wichtig finden oder auch einfach weniger Geld übrighaben. Viele Unternehmen haben schnell reagiert, haben ihre Spots umgestellt oder auch die Kanäle gewechselt, das haben Sie vielleicht auch schon beobachtet. Welche Strategien stecken da jeweils dahinter? Wie funktioniert Werbung sozusagen mit Mund- und Nasenabdeckung? Das bespreche ich jetzt mit Thomas Heun. Er ist Professor für Marketing an der internationalen Hochschule Rhein-Waal.

WDR: Guten Tag, Herr Heun.

T. Heun: Guten Tag, Frau Bittmann.

WDR: Wir leben ja in sehr merkwürdigen Zeiten im Moment. Vieles was immer selbstverständlich war ist nicht mehr möglich. Wir müssen uns vollkommen neue Rituale angewöhnen. Seit dieser Woche ist auch durch die Maskenpflicht das Einkaufen irgendwie unschöner und auch ein bisschen schwieriger geworden. Was bedeutet das für die Werbung?

T. Heun: Für die Werbung bedeutet das, dass man jetzt noch genauer hinschauen muss. Natürlich auch aufgrund der allumfassenden Einschränkung, die diese Pandemie gerade mit sich bringt. Dementsprechend müssen Werber noch sensibler sein. Und sie müssen sich in der Tat fragen, ist das jetzt überhaupt die Zeit für Werbung, und wenn ja, was für eine Werbung wollen sie in Zeiten von Corona.

WDR: Mein Eindruck in den letzten Wochen war, die Werbung ist insgesamt unglaublich emotional geworden. Da sehen wir Enkel, die ihren Großeltern über das Tablet Kussmünder schicken,  ganz viele Beispiele für Gemeinschaft, für Solidarität oder auch für fantasievollen Umgang mit der Situation. Würden Sie sagen das ist eine gute Strategie so zu werben?

T. Heun: Es ist eine Strategie, die es jetzt schon seit mehreren Jahren gibt. Werbung will oft eine emotionale Beziehung aufbauen. Und in der Tat sehen sich viele Unternehmen gerade mit der Herausforderung konfrontiert, was man denn noch über Werbung transportieren kann, weil viele Produktanlässe einfach nicht existieren. Also zum Beispiel denken wir jetzt an Soft Drinks oder auch Bier. Dieser Konsum findet häufig in geselligen Runden statt. Wie will man dafür gerade werben? Und da ist es halt eine gängige Strategie zu sagen: Okay, wir versuchen uns als Marke in eine Position zu bringen, in der wir einfach einen positiven Beitrag für eine bessere Lebensqualität der Menschen leisten wollen. Und das findet oft auf einer allgemeinen emotionalen Ebene statt. Das wirkt dann sehr behutsam. Auch mit Blick darauf, dass Unternehmen den Eindruck vermeiden wollen, gerade in dieser Zeit auf eine „platte Art“ Geschäfte zu machen.

WDR: Manche Unternehmen inszenieren sich ja auch als verantwortungsbewusst, als Helfer oder auch als jemand der Ideen gegen die Krise entwickelt. Was braucht es da, dass das Ganze auch glaubhaft wirkt?

T. Heun: Also ich glaube es braucht da, wie halt häufig in der Werbung, eine gewisse Kreativität. Das die Leute das auch wirklich als einen Mehrwert wahrnehmen. Das es nicht der 20-ste Versuch ist den Menschen beizubringen, wie sie fit und gesund durch den Homeoffice-Alltag gehen können. Also nicht ein weiteres Werbeversprechen von einer x-beliebigen Marke, sondern dass man denkt: Wow, das ist jetzt irgendwie mal eine gute Idee, wie wir jetzt alle diese anstrengende Zeit etwas besser überstehen können.

WDR: Wie schwierig ist den Humor in der Werbung jetzt im Moment in der Situation?

T. Heun: Humor in der Werbung ist generell nicht leicht. Aber im Moment merkt man es auch bei Werbenden, die viel mit Humor arbeiten, dass diese sehr vorsichtig sind. Das Besondere an der jetzigen Situation ist, dass Corona die Gesundheit von allen bedroht. Und auch diejenigen, die sonst immer sehr souverän und konsequent auf Humor setzen, kommen auf einmal ernsthaft daher.

WDR: Würden Sie sagen, man kommt am Thema Covid-19 momentan überhaupt vorbei ?

T. Heun: Also man kommt nicht wirklich daran vorbei sich intern in den Unternehmen damit zu befassen und sich die Fragen zu stellen: Wie gehen wir jetzt mit dem Thema um? Was bedeutet das für unser Unternehmen, unsere Marken und dann dementsprechend auch für unsere Werbung? Aber ich sehe jetzt keine Verpflichtung für werbetreibende Unternehmen ein Statement dazu abzugeben oder sich zu Corona zu äußern. Es kann durchaus eine Strategie sein, näher am Produkt zu kommunizieren und einfach das zu sagen, was das Produkt heute wie gestern auszeichnet.

WDR: Ich habe ja anfangs schon gesagt, dass die Werbung jetzt auch vielfach die Kanäle wechselt bzw. vor allem eben verstärkt in den sozialen Netzwerken aktiv ist. Was genau sind da die Überlegungen?

T. Heun: Da steckt häufig einfach ein ganz technischer Grund dahinter: Werbung über die sozialen Netzwerke lässt sich sehr kurzfristig erstellen und anpassen. Wenn wir jetzt an Fernsehwerbung oder auch Printwerbung denken, die brauchen deutlich längere Vorlaufzeiten. Und bei Sozialen Medien handelt sich um Kanäle, über die man leicht in Interaktion mit Konsumenten treten kann. Sie haben es zitiert- emotionale Familiensituationen, die jetzt gezeigt werden, die sind ja oft auch Initiativen verbunden und man erhofft sich da diese sogenannten „responses“. Also das die Leute einsteigen, die sozialen Netzwerke dementsprechend nutzen, aktiv werden und Bezug nehmen auf diese Kampagnen.

WDR: Und die Leute sind ja momentan auch verstärkt in den sozialen Netzwerken unterwegs.

T. Heun: Genau. Deren Nutzung ist sicher weiter gestiegen. Von daher schaut die Werbung, wo man die Menschen erreichen kann. Aber generell ist es so, dass diese Corona-Krise auch die Werbewirtschaft trifft. Allein im März sind 6% der Werbespendings verloren gegangen, verglichen mit dem Vorjahr. Das ist schon ein sehr deutlicher Einschnitt. Von daher kann man nicht wirklich von einer guten Zeit für die Werbebranche sprechen.

WDR: Was ja auch mit der schwindenden Kauflust oder der gerade nicht vorhandenen Kauflust zusammenhängt. Gibt es da irgendwelche Strategien damit umzugehen, dass einiges im Moment gar nicht mehr nachgefragt wird?

T. Heun: Das ist schwer da pauschale Antworten zu finden, da es eine vergleichbare Situation in dem Ausmaß noch nicht gab. Marketing und Werbebudgets werden gerade in schwierigen Zeiten zuerst zusammengestrichen. Und das merkt man jetzt auch ganz deutlich. Da hat auch eine Werbeabteilung ein bisschen Zeit sich Gedanken zu machen, was man den als Nächstes tun kann. Ganz generell gibt es aber auch den gegenläufigen Trend. Es gibt auch ein paar Branchen, die davon profitieren, die Umsatzzuwächse zu verzeichnen haben. Und auch da muss man sagen, die Strategien sind da eindeutig, auch wenn die Werbung sehr emotional und wenig verkäuferisch wirkt. Auch hier geht es darum, möglichst nah an die Menschen heran zu kommen. Wenn man sich die Werbung des Lebensmitteleinzelhandels anschaut, da scheint gerade ein kleiner Wettbewerb stattzufinden um das Thema „Bei wem fühlt ihr euch den jetzt am besten aufgehoben? Und wo gebt ihr denn jetzt all das Geld aus, das ihr anderweitig nicht ausgeben könnt?“

WDR: Professor Thomas Heun unterrichtet Marketing und Methoden an der internationalen Hochschule Rhein-Waal. Außerdem berät er Unternehmen und schreibt auch übers Thema Werbung. Ich habe ihn gefragt „Wie funktioniert eigentlich Werbung, wenn alle nur über Cornona reden?“ Vielen Dank für Ihre Einblicke!

T. Heun: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Interview mit Prof. Dr. Jakob Lempp

Prof. Dr. Jakob Lempp, Professor für Politologie mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen an der Fakultät Gesellschaft und Ökonomie im Interview über das Coronavirus und die Rolle der Europäischen Union in dieser Krisenzeit.

Warum sind die Reaktionen auf die Verbreitung des neuartigen Coronavirus in Europa so unterschiedlich?

In der Tat reagieren die Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit teils sehr unterschiedlichen Maßnahmen auf die Verbreitung des Coronavirus. Manche Staaten haben nur vergleichsweise geringe Einschnitte des öffentlichen Lebens vorgenommen, wie etwa Schweden oder Lettland; andere Länder, wie Griechenland, Frankreich oder Italien gehen sehr viel massiver vor. Der Hauptgrund dafür ist, dass die Gesundheitspolitik im Wesentlichen nicht in dem Zuständigkeitsbereich der Europäischen Union liegt. Gesundheitspolitik wird nach wie vor primär auf nationaler Ebene gemacht, die EU kann hier lediglich empfehlen oder unterstützen. Die Aufteilung der Kompetenzen zwischen der EU und den Mitgliedstaaten ist in den Verträgen über die Europäische Union geregelt. Konkret regelt Art. 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, dass die EU im Bereich des Gesundheitswesens die Politik der Mitgliedstaaten „ergänzt“ und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten „fördert“, etwa durch die Formulierung von „Leitlinien“. Der Rat der EU kann auf Vorschlag der Europäischen Kommission lediglich „Empfehlungen“ erlassen und die Verantwortung der Mitgliedstaaten für ihre jeweilige Gesundheitspolitik muss gewahrt bleiben. Das bedeutet: Die wichtigsten Akteure in der europäischen Gesundheitspolitik sind die nationalen Regierungen, nicht die EU.

Hat die Europäische Union nichts getan, um die Ausbreitung des Coronavirus in Europa einzudämmen?

Doch! Es wurde beispielsweise bereits Mitte März ein Krisenstab unter der Leitung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eingerichtet, der die europäische Reaktion auf das Coronavirus koordinieren und Leitlinien entwickeln sollte und auch entwickelt hat. Die EU beteiligt sich unter anderem bei der Heimholung von EU-Bürgern im Ausland, bei der Erarbeitung von Leitlinien zum Umgang mit Tests, bei der gemeinsamen Beschaffung von Schutzbekleidung und Beatmungsgeräten oder bei der Unterstützung von Forschung zu Impfstoffen, Diagnoseinstrumenten oder Behandlungsmethoden. Am stärksten ist die Rolle der Europäischen Union in diesem Zusammenhang jedoch bei den Maßnahmen zur Abpufferung der ökonomischen Folgen des „lockdowns“.

Welche Maßnahmen sind das?

Insgesamt umfasst das Hilfspaket der EU ca. 3,3 Billionen Euro, wobei diese Mittel aus ganz unterschiedlichen Töpfen kommen. Diese Hilfen umfassen ganz unterschiedliche Maßnahmen von Liquiditätshilfen für kleine und mittlere Unternehmen bis hin zu einem Krisenprogramm des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ein Pandemie-Notkaufprogramm im Umfang von 750 Milliarden Euro aufgesetzt. Darüber hinaus lässt die EU im Rahmen der sogenannten „Ausweichklausel“ größere Flexibilität bei der Bewirtschaftung der Haushalte der Mitgliedstaaten zu. Dass gar nichts getan würde von Seiten der EU, kann also wahrlich nicht gesagt werden.

Worum geht es bei dem Streit um die sogenannten „Coronabonds“?

Einige EU-Mitgliedstaaten sind von den Folgen der Coronakrise in besonderem Maße betroffen, etwa Italien und Spanien. Diese Länder müssen nun Schulden aufnehmen, um die Krise zu bewältigen. Für diese Kredite variiert die Höhe der Zinsen zwischen den EU-Mitgliedstaaten, weil Investoren das Risiko für den Ausfall der Kredite je nach Land unterschiedlich einschätzen. Die Idee der sogenannten „Coronabonds“ ist nun, dass die EU-Mitgliedstaaten zur Bewältigung der Coronakrise zumindest vorübergehend gemeinsam Geld an den Finanzmärkten aufnehmen. Einige ohnehin hoch verschuldete und nun zusätzlich durch die Coronakrise hart getroffene Staaten könnten auf diese Weise günstiger Geld erhalten. Und dies wäre auch eine symbolische Möglichkeit, zu zeigen, dass die Staaten Europas in der Krise zusammenhalten und sich solidarisch unterstützen. Andere Staaten, etwa die Niederlande oder auch Deutschland, stehen dieser Idee kritisch gegenüber, da sie befürchten, letztlich für Kredite anderer Staaten mitzuhaften.

Wird Europa gestärkt oder geschwächt aus dieser Krise herauskommen?

Das kann zum jetzigen Zeitpunkt natürlich noch niemand abschätzen. Ich sehe sowohl Gefahren als auch Chancen. Im schlimmsten Fall zerbrechen Eurozone und Europäische Union an dieser Krise. Aber Krisenzeiten waren immer auch Zeiten, in denen die Europäische Union gewachsen ist. Jean Monnet, einer der Gründerväter der EU, hat einmal formuliert: „Europa wird aus Krisen geboren und ist die Summe ihrer Überwindung. Menschen akzeptieren Veränderungen nur, wenn sie mit der Notwendigkeit konfrontiert sind und sie erkennen die Notwendigkeit erst in der Krise.“

 

Interview mit Prof. Dr. Marjan Alemzadeh

Durch die Professionalisierung der letzten Jahre – zu der auch die Einführung des Studiengangs Kindheitspädagogik gehört – wurden Kindertagesstätten zu Einrichtungen der frühkindlichen Bildung. Dazu gehören hochwertige Raum- und Materialangebote, die ein intensives Spiel zu lassen – auch zwischen Gleichaltrigen – und den kindlichen Bedürfnissen nach Bewegung und sinnlichen Erfahrungen gerecht werden. Dazu gehören natürlich auch und ganz besonders intensive Beziehungen, die sich bspw. in aufmerksamen Interaktionen zwischen den pädagogischen Fachkräften und den Kindern, aber auch zwischen pädagogischen Fachkräften und Eltern widerspiegeln.

Alle Familien spüren gerade, dass diese beiden Ebenen für sie weggefallen sind. Auch wenn wir sie momentan nicht 1:1 ersetzen können, so gibt es doch Wege, wie zumindest der Kontakt zwischen der Kindertagesstätte und den Kindern und ihren Familien aufrechterhalten werden kann. Diese Brücken können dazu beitragen, den Weg aus dem Lock-down – pädagogisch sprechen wir von einem Übergang – gleitender zu gestalten.

Wie dies gelingen kann, zeigt Prof. Dr. Marjan Alemzadeh im nachfolgenden Interview, das im kita-online Kongress erschienen ist.

 

Beitrag von Dr. Oliver Locker-Grütjen

Dass es in Deutschland eine besonders enge Kopplung zwischen sozialer Herkunft  und schulischen Leistungen gibt, ist seit Jahrzehnten empirisch belegt. Dieser Zusammenhang konnte bis heute nicht systematisch aufgebrochen werden – und wird durch die Corona-Krise massiv verschärft, wenn Schule insbesondere für die Gruppe der Kinder als physischer Ort nicht zur Verfügung steht, die schon vor der Krise im Bildungssystem abgehängt war. Unterschiede im Zugang zu und im Umgang mit digitalen Medien verstärken die Ungleichheit. Hierfür gibt es mehrere, empirisch belegte Hinweise, die zeigen, dass politisch schnell gehandelt werden sollte, wenn es jetzt zu einer schrittweisen Öffnung von Schule kommt. Weiterlesen