Wie steht es um die transatlantischen Beziehungen?

Befragung unter Studierenden

Wissenschaftler und Studierende der Hochschule Rhein-Waal und der Partneruniversität Fitchburg State University haben sich mit einer Umfrage zu den transatlantischen Beziehungen an Studierende ihrer Hochschulen gewandt. Die überwiegende Mehrheit der Befragten schätzt die Beziehungen und erachtet eine langfristige Stärkung der Partnerschaft zwischen den USA und Deutschland für wichtig. 

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Seminare über die transatlantischen Herausforderungen an der Hochschule Rhein-Waal brachten Wissenschaftler und Studierende aus den Fakultäten in Kleve und Kamp-Lintfort mit der International Relations/European Class an der Fitchburg State University in Massachusetts zusammen. Den Besuch der amerikanischen Partneruniversität im vergangenen Jahr nutzten beide Hochschulen dazu, Ideen für den Ausbau der Partnerschaft zu entwickeln. 



In den darauffolgenden Monaten setzten die verantwortlichen Professoren – Professor Dr. Alexander Brand, Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen, Professor Dr. Klaus Hegemann, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, sowie Professor Dr. Joshua Spero, Professor für Politikwissenschaften an der Fitchburg State University, – angesichts der politischen Entwicklungen und insbesondere vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie weiterhin auf die Bedeutung des gemeinsamen Dialogs und offenen Austauschs. Die Absicht dahinter: mit gemeinschaftlichen Forschungsaktivitäten die Partnerschaft zwischen den Hochschulen stärken. Dies mündete unter anderem in ein Forschungsprojekt über die transatlantischen Beziehungen, bei dem es auch darum geht, mehr Vertrauen zwischen den jüngeren Generationen aufzubauen. 



Genauer untersucht werden soll bei dem Projekt die Fragestellung: Sind die transatlantischen Beziehungen ein Auslaufmodell? Orientieren sich gerade junge Leute dies- und jenseits des Atlantiks heute voneinander weg? Dazu führten die an dem Projekt beteiligten Forscher und Studierenden der Hochschule Rhein-Waal und der Fitchburg State University eine Vorabbefragung unter den Studierenden beider Hochschulen in Deutschland und den USA durch. Trotz Corona-Krise und der Verlagerung der Lehre in den digitalen Raum in beiden Ländern beteiligten sich insgesamt 400 Studierende an der freiwilligen Umfrage. Über die Medienkanäle der Studierendenvertretungen und die an beiden Standorten verwendeten Online-Unterrichtsplattformen wurden breite Studierendengruppen über alle Fachbereiche hinweg angesprochen.  



Die überwiegende Mehrheit der befragten Studierenden schätzt die transatlantischen Beziehungen und erachtet eine langfristige Stärkung der Partnerschaft zwischen den USA und Deutschland für wichtig. Von den Teilnehmenden an der Hochschule Rhein-Waal stimmten 67 Prozent dem zu; an der Fitchburg State University waren es 73 Prozent. Zu bedenken gilt gleichwohl, dass die Teilnahme freiwillig war und sich dementsprechend vor allem politisch interessierte Studierende beteiligten. So gaben denn 80 Prozent der Befragten an, sich über die aktuelle Nachrichtenlage auf dem Laufenden zu halten. 

Dass zwischen 75 und 80 Prozent dem intensiven Austausch und engen studentischen Kontakt zwischen Deutschland und den USA besondere Bedeutung beimessen, verdeutlicht das ungebrochene Interesse an einer Stärkung der transatlantischen Beziehungen unter den Studierenden beiderseits des Atlantiks. Da sich im gleichen Atemzug zwei Drittel (Deutschland) bzw. drei Viertel (USA) der jetzigen Studierenden als kommende gesellschaftliche Führungskräfte sehen, scheint es in der Zukunft um den „transatlantischen Kitt“ trotz aller derzeitigen politischen Entwicklungen nicht schlecht bestellt zu sein. 



Unterschiede jedoch bestehen bei den Antworten zu Fragen der Außen- und Weltpolitik. Während beispielsweise eine Mehrheit (52 Prozent) der Studierenden an der Fitchburg State University befürwortet, dass ein Land seine nationalen Interessen über die der internationalen Gemeinschaft stellt, stimmt dem nur ein knappes Drittel (30,4 Prozent) der Studierenden an der Hochschule Rhein-Waal zu. Und auch wenn nur 19 Prozent der befragten Studierenden in den USA ein stärkeres militärisches Engagement ihres Landes weltweit unterstützen, so sind es immerhin doppelt so viele wie unter den teilnehmenden Studierenden in Deutschland (9,6 Prozent). Aus diesen Zahlen einen sogenannten „Trump-Effekt“ herauslesen zu wollen, wäre aus Sicht der beteiligten Forscher allerdings zu gewagt. 



Dies gilt zumal, da ansonsten auffällige Ähnlichkeiten in beiden Umfragegruppen existieren: Die von beiden Studierendengruppen mit Abstand bevorzugte Variante internationalen Engagements der USA und Deutschlands sind Einsätze humanitärer Natur. Ferner scheinen in puncto mehr Autonomie der EU von den USA die Ansichten der beiden Studierendengruppen nicht sehr weit voneinander entfernt zu sein. Eine Mehrheit der Studierenden an der deutschen Hochschule würde es begrüßen, dass die deutsche Regierung sich im Rahmen der EU für ein Mehr an solcher Autonomie einsetzt (53,5 Prozent). Nur 11,8 Prozent der Studierenden in Fitchburg hingegen lehnen die Idee ab, die USA sollten mehr Autonomie für die EU ebenfalls unterstützen.  



Die Stationierung von US-Truppen in Deutschland und den jüngst von der US-Regierung ins Spiel gebrachten Truppenrückzug betreffend ergibt sich ein interessantes Stimmungsbild. Dies bedarf aber in jedem Fall weiterer Forschung und differenzierter Erklärungen. So sah nur eine Minderheit der an der Hochschule Rhein-Waal befragten Studierenden (15,6 Prozent) die US-Truppen als zentral wichtig für die transatlantischen Beziehungen an. Auf US-Seite betonten dagegen 43 Prozent deren Wichtigkeit, wobei auch hier eine Mehrheit in diesem Aspekt keinen zentralen Bestimmungsfaktor für gute Beziehungen zwischen den USA und Deutschland sah. Aus Sicht der Mehrzahl der teilnehmenden Studierenden auf beiden Seiten des Atlantiks jedenfalls scheint nach Maßgabe der Pilotstudie aus der Ankündigung des Truppenrückzugs keine automatische Verschlechterung der deutsch-amerikanischen Beziehungen zu resultieren. 



Die von Wissenschaftlern und Studierenden in Kleve, Kamp-Lintfort und Fitchburg initiierte Forschung soll nun in einem nächsten Schritt zu einer repräsentativen Umfrage unter Studierenden an mehreren Hochschulstandorten in den USA und in Deutschland ausgebaut werden. Inhaltlich geht es darum, auch nach etwaigen Veränderungen durch die Corona-Krise zu fragen. Wie die beteiligten Professoren betonen, ist es dabei besonders wichtig, weiterhin interessierte Studierende sowie den wissenschaftlichen Nachwuchs in das Projekt einzubinden. Und zwar nicht allein als Befragte, sondern ebenso als Forschende – wie bereits bei der gemeinsamen, transatlantischen Erarbeitung der Pilotstudie praktiziert. 

 

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